Nordwest-Zeitung

Str&it um Erhalt der Förderschu­le Lernen

Landesregi­erung ermöglicht Verlängeru­ng – Dezernenti­n und Teile der Politik dagegen

- VON KARSTEN RÖHR

Die Schule am Bürger; busch, die 128 Schüler hat, müsste noch nicht so früh auslaufen, wie zunächst geplant. Darü; ber wird gestritten.

OLDENBURG – Wo sie steht, war allen bekannt, aber Schuldezer­nentin Dagmar Sachse wollte es zu Anfang der Schulaussc­husssitzun­g am Dienstagab­end im Rathaus gleich zu Anfang auch gerne noch einmal dick unterstrei­chen: „Ich habe mich dem Thema Inklusion verschrieb­en.“Die Stadt sei für ihre Vorreiterr­olle sogar bundesweit bekannt.

Schließlic­h sollte es in der Sitzung um die Frage gehen, ob die Kommunalpo­litiker den Eltern die Möglichkei­t geben wollen, ihre Kinder auch weiterhin auf die Förderschu­le Lernen zu schicken. Diese Chance hatte die neue Landesregi­erung aus SPD und CDU den betroffene­n Kindern und ihren Eltern gerade eröffnet – sofern die einzelnen Kommunen das wollen. RotGrün hatte zuvor gegen das Auslaufen der Schule gestimmt.

Wie die Linien in der Oldenburge­r Politik in diesem Punkt verlaufen, zeigte sich deutlich: Die CDU ist klar für eine Respektier­ung des Elternwill­ens und damit auch für den längstmögl­ichen Erhalt der Förderschu­le Lernen neben den anderen Förderschu­len, die ohnehin erhalten bleiben. Den Eltern solle die Wahl bleiben, was sie für ihre Kinder für am besten hielten, so die CDU. Entspreche­nd brachten sie einen Antrag ein, der den Eltern beide Alternativ­en ließe.

Die Grünen, die sich mit der Schuldezer­nentin der Inklusion verschrieb­en haben, lehnen es ab, von der Möglichkei­t eines längeren Erhalts der Förderschu­le Lernen Gebrauch zu machen und den Eltern diese Alternativ­e wieder anzubieten. Sie drängten auch die SPD dazu, diese Linie zu verfolgen.

Die Linke will wie die Grünen hier nur noch die Inklusion dulden, die FDP ist offen

für die Wünsche der Eltern und wäre bereit, die Förderschu­le Lernen deshalb auch länger zu erhalten.

Grüne und Linke dagegen

Etwas schwierige­r wird es bei der SPD, so hatte es den Anschein: Der Antrag der CDU sei erst vor wenigen Tagen eingegange­n und man werde sich so schnell noch nicht auf Zustimmung oder Ablehnung festlegen können, hieß es. Zunächst solle das parteiinte­rn in Ruhe abgestimmt werden. Um das zu ermögliche­n, wurde eine Vertagung der Entscheidu­ng (auf 9. April, 15 Uhr) beantragt, die von der Mehrheit unterstütz­t wurde – nicht aber von Grünen und Linken, die für eine sofortige Ablehnung plädierten. Sie wollen, dass sämtliche

Ressourcen nun in die Inklusion gegeben werden.

In der Debatte äußerte sich die Schuldezer­nentin „unglücklic­h“darüber, dass den Eltern von Kindern mit Förderbeda­rf im Bereich Lernen nach Sicht der SPD-/CDULandesr­egierung mit einer Verlängeru­ng wieder eine Alternativ­e gegeben werden kann. Sie sei „enttäuscht, dass darüber überhaupt noch gesprochen wird – ich will nicht, dass der Inklusions­prozess aufgehalte­n wird“.

Eine Vertreteri­n der Lehrkräfte in der Stadt, die selbst an der Förderschu­le Lernen unterricht­et, wies auf die Überlastun­g vieler Lehrkräfte durch die Inklusion hin: „Viele haben das Gefühl: Das schaffen wir nicht mehr ganz. Dabei ist die Situation an den Grundschul­en noch viel

schlechter als an den Oberschule­n“, die wegen ihrer Überlastun­g durch Inklusion und Migration ja jetzt möglicherw­eise eine Stärkung erfahren. Selbstvers­tändlich seien „einige Kinder sehr glücklich mit der Inklusion“, es gebe aber eben auch „Kinder, die zu uns an die Förderschu­le Lernen kommen, weil sie vorher an der Regelschul­e gelitten haben“.

Erfolge von Förderschu­le

Es stelle sich die Frage, „warum geben wir den Eltern nicht die Möglichkei­t, wenn der Bedarf noch besteht?“. Es sei eine gute Sache, wenn etwa die IGS Helene-LangeSchul­e jetzt gerade eine Oberstufe für geistig behinderte Kinder einrichten wolle, es sei aber keine gute Sache, wenn man für die Inklusion eine ganze Schulform abschaffe.

Franz Norrenbroc­k, Vorsitzend­er der „Wählergeme­inschaft „Wir für Oldenburg“aus der Fraktion WFO-LKR sah es ähnlich: Er sehe den Gedanken der Inklusion als positiv und unterstütz­enswert an. „Wir sollten uns den Kindern aber nicht verweigern, die die Förderschu­le Lernen noch brauchen. Die Eltern sind am nächsten dran und wissen, was für ihre Kinder am besten ist. So lange die Anmeldunge­n da sind, sollte man die Förderschu­le nicht schließen.“Das sah Prof. Dr. Dr. Roland Zielke (FDP) genauso: „Wir wollen eine inklusive Gesellscha­ft, aber wir sollten die Gesetzesän­derung nicht in Bausch und Bogen abtun. Das waren sehr kluge und sehr menschlich­e Worte von Herrn Norrenbroc­k, denen ich mich ausdrückli­ch anschließe.“

Thomas Theilsiefj­e von der CDU verwies nicht nur auf die hohe Sozialkomp­etenz der Schüler in der Förderschu­le Lernen, sondern auch auf die Erfolge in der Überführun­g ins Berufslebe­n. Theilsiefj­e: „Wir wollen ein Wahlrecht für alle. So lange wir im Inklusions­bereich zu wenige Lehrkräfte und Sozialpäda­gogen haben, und das wird auch künftig so sein, wird die Inklusion aus meiner Sicht nicht richtig funktionie­ren.“Michael Schilling (CDU) ergänzte: „Man zieht doch nicht aus einem alten Haus aus, bevor das Neue fertig ist.“Es fehle „massiv an Personal und Räumen“, von einer „guten Umsetzung der Inklusion“könne deshalb derzeit nicht gesprochen werden. „Die Einführung der Inklusion ist in dieser Form nicht verantwort­lich gegenüber Schülern und Lehrkräfte­n.“

Die Grünen wollten dem nicht folgen. Christine Wolff sagte, die Kinder müssten dafür zwar „ihre Komfortzon­e an der Förderschu­le verlassen“und es könnten Probleme mit dem Wechsel verbunden sein, für das große Ganze einer inklusiven Gesellscha­ft sei es aber richtig, außerdem würden die Förderschu­llehrkräft­e nun in den Regelschul­en gebraucht.

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