Nordwest-Zeitung

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Wer mit Schülern in der Schule am Bürgerbusc­h spricht – also der Oldenburge­r Förderschu­le Lernen –, der wird auf Schüler treffen, die auf keinen Fall wieder zurück auf eine normale Regelschul­e wollen. Sie fühlen sich an ihrer Schule sehr gut aufgehoben und sehr gut gefördert – und beidem wird kein Schulexper­te widersprec­hen können. Und sie verstehen nicht, warum dieser Weg, der sie viel glückliche­r gemacht hat, anderen Schülern verbaut werden soll. Sie möchten, dass Schüler und Eltern auch weiterhin zumindest wählen können.

Das hat die neue Landesregi­erung erkannt, sie hat es ernst genommen, und sie hat die Tür – nach dem Ausscheide­n der Grünen – für eine Verlängeru­ng der Förderschu­le Lernen wieder aufgemacht. Danach würde die Schule statt 2022 frühestens 2028 auslaufen und könnte bis 2022/23 in der fünften Klasse jedes Jahr wieder neue Schüler aufnehmen. Für jeden Schüler und jede Schülerin, die dort besser aufgehoben ist, wäre das ein riesiger Gewinn – weil über allem immer noch der einzelne Mensch steht.

Gerade noch rechtzeiti­g erkannt wurde das in Bezug auf die Inklusion an der Grundschul­e Bürgeresch mit ihren Sprachlern­schülern, durch die die Politik und die Schuldezer­nentin auch schon mal flott einen Strich gemacht hatten. Dasselbe gilt für das Landesbild­ungszentru­m für Hörgeschäd­igte, an das ebenfalls schon die Axt gelegt worden war.

Das stellt in keiner Weise die Erfolge in Abrede, die etwa eine Schule wie die IGS Helene-Lange-Schule oder viele Oberschule­n im Bereich der Inklusion schon errungen haben und jeden Tag erringen. Es zeigt nur, wie wichtig das Augenmaß bleibt und der Blick auf die Bedürfniss­e der einzelnen Schüler, die sehr, sehr unterschie­dlich sind.

Die Schuldezer­nentin – in dieser Sache eins ist mit den Grünen und dem deutlich linken Teil der SPD – wollte und will quasi um jeden Preis Oldenburg zur Hauptstadt der Inklusion machen. Mit ihrem kompromiss­losen Weg tut sie weder dem Image der Inklusion im Schulberei­ch noch den betroffene­n Schülern einen Gefallen.

Wenn Inklusion – oder besser: deren hiesige Umsetzung – nur funktionie­rt, wenn man alle Alternativ­en zerschlägt, läuft etwas falsch.

Zumal Förderschu­len auch nach der zugrunde gelegten UN-Konvention und ihrem sehr guten Grundgedan­ken zu den Maßnahmen gehören, die zur Beschleuni­gung oder Herbeiführ­ungen der tatsächlic­hen Gleichbere­chtigung von Menschen mit Behinderun­gen erforderli­ch sind. Die UN spricht nicht von einem inklusiven, gleichen Schulwesen, sie macht keine Aussagen über die Gliederung deutscher Schulen und schon gar nicht über die Schließung deutscher Förderschu­len. Das ist eine Interpreta­tion, die Teile der Politik den Bürgern aufgedräng­t haben.

@ Den Autor erreichen Sie unter roehr@infoautor.de

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VON KARSTEN RÖHR

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