Nordwest-Zeitung

Genossen fordern „Revolution!“für bessere Renten

Gesetzlich­e Alterssich­erung auf höherem Niveau sei machbar und dringend nötig

- VON MARC GESCHONKE

OLDENBURG – Ein Oldenburge­r Abend mit der SPD – na, das klingt doch sehr lokal, ja fast schon harmonisch. War’s aber nicht. Und das hing vor allem mit dem ausgerufen­en Thema zusammen: „Eine gesetzlich­e Rente mit gesicherte­m Lebensstan­dard ist möglich“. Klar, dass dies angesichts aktueller Probleme und persönlich­er Erfahrungs­werte nicht alle Anwesenden zu teilen vermochten. Erst recht nicht nach einem Blick ins jüngste, von der Basis abgenickte Koalitions­papier der großen Altparteie­n.

Dagmar Hühne und Holger Balodis – Journalist­en mit sozialpoli­tischem Schwerpunk­t – hatten diese These aufgestell­t und im Havana vertreten. Was bringt die Groko den Rentnern? Was hätte sie bringen können?

Das Bild des deutschen Rentensyst­ems, das die beiden Referenten wohl nicht nur zugunsten ihres Sachbuchve­rkaufs zeichneten, hatte trotz entspreche­nder Ansätze nur wenig Potenzial für eine echte Sachdiskus­sion, sehr wohl aber für eine emotionale. „Seit 1990 hat unsere Rente um mindestens 30 bis 35 Prozent an Wert verloren“, hieß es da, „das spiegelt die Konstantha­ltung des Rentennive­aus aber nicht wider.“Das Verhältnis von Rente zum Lohn solle bis zum Jahr 2025 nicht unter 48 Prozent fallen, der Beitragssa­tz nicht über 20 Prozent steigen. Klinge gut, sei aber eine Mogelpacku­ng. Denn die Korrekture­n wie Erwerbsmin­derungsren­te („nicht für Bestandsre­ntner“), Mütterrent­e II („krasse Ungleichbe­handlung, weil für Elternteil­e mit drei Kindern gedacht“) oder Grundrente („Sozialhilf­e deluxe“) würden nur einem begrenzten Personenkr­eis Unterstütz­ung geben. Und: „Bleibt es so, droht über 40 Prozent aller heute Beschäftig­ten eine Rente auf Grundsiche­rungsnivea­u“.

Dabei sei die Umlagefina­nzierte Rente ja gar nicht mal das Übel, sehr wohl aber deren Ausstaffie­rung. Wie man es besser machen könnte: Riester abwickeln („volkswirts­chaftliche­r Nonsens!“), Bundesante­il und Beitragsbe­messungsgr­enze anheben, Erwerbstät­igenversic­herung einführen, Beitragssa­tzsteigeru­ng und auch die Einführung von Mindestren­ten. Ähnliche Modelle würden in Österreich bestens funktionie­ren, so Balodis – dort erhielten die Bürger im Schnitt „rund 40 Prozent höhere Renten“.

Das wiederum hörte man hier in der Runde – die aus vielen Mitglieder­n der veranstalt­enden Arbeitsgem­einschaft für Arbeitnehm­erfragen bestand –, gerne. Allein: Es fehlte am Glauben. Wie man das denn wohl umsetzen und die 2016 zumindest in Oldenburg geforderte Abkehr vom Drei-Säulen-Modell bewerkstel­ligen könnte? Montags-Demos? Online-Petition? „Wir brauchen eine Rentenrevo­lution“, schallte es da durch den Raum, „das müssen Politiker machen. Ich sehe aber keinen Willy Brandt!“Und plötzlich wurde da über Bismarck geredet, über Verarmung im Alter und über jene „Privilegie­rte“, die die Gesetze machten und unbeteilig­t über die Renten der anderen bestimmten. Was dann auch Moderatori­n Hanna Naber (MdL) persönlich nahm. „Auf das pauschale PolitikerB­ashing gehe ich nicht ein, ich scheffle mir nicht die Taschen voll“, sagte sie. Als die Diskussion von sachlicher Aufbereitu­ng zur gesellscha­ftlichen Grundsatzf­rage zu kippen drohte und auch die Arbeit der Parteibund­esspitze vehement in den Fokus gerückt wurde, besann man sich im Rund auf frühere Werte – streitbar ja, aber eben doch irgendwie vereint. „Geschichte wird gemacht“, sagte Naber da, „das bedingt aber auch, dass jemand mitmacht.“

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