Nordwest-Zeitung

HSV trifft St. Pauli

Hamburg-Anhänger und NWZ-Redakteur Patrick Buck besucht Fanclub des FC St. Pauli

- VON PATRICK BUCK

Wen aus der Redaktion schickt man los, um den Oldenburge­r St.-Pauli-Fanclub vorzustell­en? Natürlich den ohnehin schon arg gebeutelte­n HSV-Anhänger, dachten sich die Kollegen

Wen schickt die Redaktion, um den Fanclub „St. Pauliatrie“vorzustell­en? Natürlich den gebeutelte­n HSV-Fan.

OLDENBURG – Klar, dass die Kollegen ihren Spaß haben: Den Oldenburge­r Fanclub des FC St. Pauli vorstellen? Das kann doch der HSV-Fan der Redaktion machen. Selten so gelacht. Als ob das Leben eines Anhängers dieser Mannschaft nicht schon schwer genug ist. Da der St.-Pauli-Sympathisa­nt unter den Kollegen allerdings im Urlaub weilt, fehlt die Alternativ­e. Also Trikot mit der Raute an, rausgehen und das Beste geben. Wenn mal die HSVSpieler meine Arbeitsein­stellung an den Tag legen würden.

Immerhin: Schläge muss ich trotz der Rivalität nicht fürchten. Die Anhänger des Hamburger Kiezclubs gelten als weltoffen und friedferti­g. Immerhin da sind wir einer Meinung. Die Oldenburge­r Pauli-Anhänger, die sich vor rund einem Jahr zum Fanclub „St. Pauliatrie“zusammenge­funden haben, begrüßen mich im Vereinslok­al Lindenkroo­g an der Lindenstra­ße ob des Anblicks meines HSV-Trikots zwar mitunter skeptisch, aber freundlich. „Hier schauen auch Fans von Werder, Köln oder Gladbach Fußball“, sagt Olli. Mit Nachnamen haben sie es hier nicht so.

Die Offenheit rührt zum Teil auch daher, dass St. Pauli bei manchen gar nicht die erste Wahl war oder ist. Marco kam über die Punkrock-Musik zum Verein, Jakob stand von klein auf beim VfB Oldenburg im Stadion und Olli ist von Haus aus eigentlich Verehrer der Stuttgarte­r Kickers. „Wenn Pauli gegen die Kickers spielt, bin ich für die Kickers. Aber das ist auch für alle hier in Ordnung.“

Die Stimmung wird lockerer, nun kommen doch noch ein paar Tiefschläg­e – natürlich nur verbaler Art. „Ich freue mich schon, wenn die Uhr auf Null steht“, grinst Marco. Die Anzeige, die im Volksparks­tadion die Zeit der Bundesliga­zugehörigk­eit des HSV sekundenge­nau angibt, empfand er immer als Ausdruck von Arroganz. Ich denke:

Ehre wem Ehre gebührt.

Doch bevor wir in Kabbeleien abschweife­n, reden wir lieber über den Fanclub. Acht Gründungsm­itglieder waren vor einem Jahr dabei. Inzwischen sind es knapp 30 – darunter Heimspielg­änger, Allesfahre­r und Fernsehfuß­ballgucker. Neulinge sind bei den Übertragun­gen der Spiele im Lindenkroo­g willkommen. Mit einem eigenen Banner machen die Oldenburge­r bei den Heimspiele­n im Stadion auf sich Aufmerksam. Dass man dies nach Abpfiff allerdings nicht vergessen und am Stadionzau­n hängen lassen sollte, wie im Dezember nach der Partie gegen Duisburg – das lernen sie noch.

Der FC St. Pauli präsentier­t sich von jeher als der etwas andere Fußballclu­b, der offen für Fans aller Gesellscha­ftsschicht­en, Nationalit­äten oder Religionen ist. Davon lebt er sehr gut. Neben dem FC Bayern hat wohl kaum ein deutscher Club so viele Image-Fans, die sich mit dem Ruf (und den Fanartikel­n) des Kiezclubs schmücken und dem Verein dadurch gute Einnahmen bescheren.

Der Oldenburge­r Fanclub allerdings nimmt die ausgerufen­e Weltanscha­uung sehr ernst. „Viele sagen, dass sie nicht diskrimini­eren. Wir ziehen es durch“, sagt FanclubPrä­sident Joe. Für die Mitglieder zählt dazu auch soziales Engagement. Bei den Treffen machen stets Spendendos­en für das Tierheim und die Tafel

die Runde. Am 30. Juni steht zudem das zweite BenefizTur­nier an, für das derzeit noch Sponsoren gesucht werden. Acht Bunte-Liga- und Hobby-Mannschaft­en traten 2017 auf dem Platz des FC Ohmstede an. Dank Versteiger­ung und Verkauf kamen mehr als 900 Euro für das Tierheim zusammen.

Man könnte die FanclubMit­glieder glatt bewundern – wenn sie nicht diesen komischen Verein anfeuern würden. „Ach, der HSV gehört eigentlich in die erste Liga, und wir fühlen uns in der zweiten Liga viel wohler“, baut mich Jakob auf. Dann sehen wir uns ja bald wieder aus der Ferne, antworte ich. „Ja,

wenn der HSV die Lizenz nicht bekommt und dritte Liga spielt.“Dieser Spruch musste wohl noch sein.

P @ „Wann sind eigentlich die Anstoßzeit­en?“NWZ-Redakteur Patrick Buck bekommt von den St.-PauliFans Nachhilfe in 2. Liga unter www.NWZonline.de/videos

P @ Infos zum Fanclub unter www.facebook.com/st.pauliatrie

 ?? BILD: MARTIN REMMERS ?? Mitleidige­s Schulterkl­opfen: Mehr als das hatte Ð-Redakteur Patrick Buck (im HSV-Trikot) von den St. Pauli Fans (von links) Joe, Jo, Jakob, Marco und Olli wohl auch nicht verdient.
BILD: MARTIN REMMERS Mitleidige­s Schulterkl­opfen: Mehr als das hatte Ð-Redakteur Patrick Buck (im HSV-Trikot) von den St. Pauli Fans (von links) Joe, Jo, Jakob, Marco und Olli wohl auch nicht verdient.

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