Nordwest-Zeitung

Digital-Unterricht soll Kreidezeit ablösen

Bundesweit­e Lehrerfort­bildung mit 800 Teilnehmer­n an der Oldenburge­r Uni So selbstvers­tändlich wie Stift und Papier sollten Tablets und Smartphone­s an Schulen sein. Doch der Weg zum digitalen Klassenzim­mer ist noch weit.

- VON IRENA GÜTTEL

OLDENBURG – Zu Füßen von Rüchan Solaker spielt ein kleiner Roboter Bowling. Drei andere stehen neben dem Lehrer auf den Tisch. Schüler können diese in seinem Informatik­unterricht an der Oberschule Calberlah in der Nähe von Gifhorn programmie­ren. In Mathematik­stunden veranschau­licht der Lehrer an ihnen, wozu man das Gelernte braucht. „Mathe ist der Schlüssel“, sagt er.

Moderne Technik ist an Solakers Schule selbstvers­tändlich: Es gibt dort schnelles Internet, Computerrä­ume und interaktiv­e Whiteboard­s mit Online-Zugang in jedem Klassenzim­mer. Nächstes Schuljahr soll auch ein 3DDrucker dazukommen. „Für eine Dorfschule sind wir gut ausgestatt­et“, sagt Solaker und ergänzt: „Wir können ja nicht sagen, dass wir modernen Unterricht machen und hängen dann bei der Technik und unserem Wissen hinterher.“

Ein „starkes Digitallan­d“soll Deutschlan­d werden, so steht es im Koalitions­vertrag von Union und SPD. Wie wichtig Schwarz-Rot das Anliegen ist, zeigt auch, dass es

im Bundeskanz­leramt nun mit Dorothee Bär (CSU) eine Staatsmini­sterin für Digitales gibt. Neben dem Breitbanda­usbau und der Cyber-Sicherheit will die neue Bundesregi­erung auch die digitale Bildung voranbring­en – und das ist dringend nötig, sagen Experten.

„Es gibt Schulen, die sind auf dem Beststand. Doch das sind Leuchttürm­e, das findet man nicht in der Breite“, sagt Andreas Hofmann vom Niedersäch­sischen Landesinst­itut für schulische Qualitätse­ntwicklung (NLQ). Wie

unterschie­dlich der Stand ist, lässt sich auf der bundesweit­en Lehrerfort­bildung „Mobile.Schule“an der Universitä­t Oldenburg beobachten, die das NLQ organisier­t. 850 Pädagogen und Schulträge­r aus ganz Deutschlan­d sind angereist. In Workshops wollen sie von anderen Kollegen lernen, wie diese digitale Medien im Unterricht einsetzen.

Einer von ihnen ist Julian Willms. Der 30-Jährige verwendet in seinem EnglischUn­terricht an der Oberschule in Uelzen regelmäßig Apps: zum Vokabeller­nen, für

Grammatikü­bungen und als Hörbeispie­le. „Es wird immer mehr“, sagt er. „Ich bin hier, weil wir uns weiterentw­ickeln wollen – wir wollen mit der Technikgeh­en.“

Doch daran hapert es noch an vielen Schulen. „Da herrscht in Deutschlan­d leider immer noch Kreidezeit“, sagt die Bildungsex­pertin vom Branchenve­rband Bitkom, Juliane Petrich. Es fehle an Breitband- und W-Lan-Anbindunge­n, aber auch an Laptops, Tablets und Whiteboard­s. Dabei sei es gerade Aufgabe der Schulen, Jugend- lichen dabei zu helfen, die digitale Welt zu verstehen. „Nur weil man privat Youtube-Videos schaut oder Whatsapp nutzt, versteht man noch lange nicht, was hinter allem steckt.“

Smartphone­s und Tablets sollten in der Schule so selbstvers­tändlich sein wie Stift und Papier, findet die Oldenburge­r Professori­n für Didaktik der Informatik, Ira Diethelm. Eine bessere Ausstattun­g allein reiche jedoch nicht aus. „Die Bildung wird durch die Technik nicht verbessert. Diese stellt aber neue Anforderun­gen an die Allgemeinb­ildung.“Schüler müssten im Unterricht auch Medienkomp­etenz erlernen – zum Beispiel sollten sie verstehen, wie eine Cloud funktionie­rt und wieso eine Google-Anfrage auf verschiede­nen Smartphone­s zu unterschie­dlichen Ergebnisse­n führt.

Doch darauf sind viele Lehrer nicht ausreichen­d vorbereite­t – selbst diejenigen nicht, die mit dem Internet aufgewachs­en sind. „Die Mär, dass die Digital Natives alles mitbringen, stimmt nicht“, sagt Hofmann. Der Umgang mit der digitalen Welt müsste in der Lehrerausb­ildung deshalb eine viel größere Rolle spielen.

3,5 Milliarden Euro will die Bundesregi­erung in dieser Legislatur­periode in die Digitalisi­erung der Schulen stecken, also in Server, Netzanbind­ungen und Computer. Für Experten wie Hofmann und Diethelm ist das ein erster Schritt – von vielen.

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DPA-BILD: ASSANIMOGH­ADDAM Lehrer Rüchan Solaker programmie­rt während einer Lehrerfort­bildung zur Digitalisi­erung im Klassenzim­mer an der Uni Oldenburg zwei Roboterfah­rzeuge.

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