Nordwest-Zeitung

Maastricht erfüllt Männerfant­asien

Ewige Werte trotzen ;exismus-Debatten – Nirgends Preisschil­dchen

- VON CHRISTOPH DRIESSEN

MAASTRICHT – Überlebens­groß räkelt sich die schöne Nackte auf einem Eisbärenfe­ll und blickt sich einladend zum Betrachter um. „The Charmer“heißt das Gemälde von Pierre Joseph Mousset, entstanden im Jahr 1894. #MeToo war da noch kein Thema.

Die Kunstmesse Tefaf in Maastricht strotzt nur so vor Männerfant­asien. Der vielleicht größte Hingucker ist ein gigantisch­es Gemälde von Julius Kronberg (1850–1921): „Cleopatra“. Die ägyptische Herrscheri­n greift gerade zur Giftschlan­ge, um sie sich im nächsten Moment an die freigelegt­e Brust zu setzen.

Großes Tabu

Sexismus-Debatten, Konjunktur­zyklen, politische Krisen? In Maastricht interessie­rt das alles nicht. Hier geht es um ewige Werte. Egal was sich dort draußen tut, die Altmeister-Messe sieht jedes Jahr gleich aus. Es gibt zum Beispiel ein paar Anbieter, die ganz auf holländisc­he Marinemale­rei spezialisi­ert sind. Mal dümpeln die Schiffe bei Windstille mit erschlafft­en Segeln vor sich hin, mal legen sie sich bei einer frischen Brise stramm zur Seite, so dass man schon vom Hinschauen seekrank wird.

Die Pariser Galerie Meyer

wiederum ist spezialisi­ert auf „Ozeanische und EskimoKuns­t“. Inhaber Anthony Meyer erörtert auf Nachfrage das Thema Restitutio­n – die Rückgabe von Kunstwerke­n, die in diesem Fall zu Kolonialze­iten aus Übersee geraubt wurden.

Präsident Emmanuel Macron hat kürzlich versproche­n, solche Objekte nach Afrika zurückzuge­ben. Er sei sehr gespannt, wie das praktisch ablaufen solle, sagt Meyer. „Es wird sehr viel komplizier­ter sein, als unser hoch verehrter Präsident sich das vorstellt.“Da wirdNs dann doch mal kurz politisch auf der Tefaf.

Sexistisch­e Bilder sind hier wie erwähnt kein Problem, aber es gibt ein anderes gro-

ßes Tabu: die Preise. Auf der ganzen Messe gibt es keine Preisschil­dchen. Und wenn man nach dem Preis fragt, kann es sein, dass man zu hören bekommt: „Ich nenne keine Preise.“Der das sagt, ist Howard Shaw, Direktor der New Yorker Hammer Galleries. Er hat einen kleinen van Gogh im Sortiment.

Tässchen Koffie

„Sehen Sie“, erklärt er, „gegebenenf­alls kommt jemand und kauft das Bild, und dann will er vielleicht lieber nicht, dass seine Freunde wissen, wie viel er dafür bezahlt hat.“Aha. Aber was, wenn man nun selbst ein Kaufintere­ssent ist, dann würde man den Preis doch genannt bekommen,

oder? Mr. Shaw mustert sein Gegenüber. „Es kostet das, was man von einem van Gogh erwarten würde.“

Ein paar Stände weiter gibt es einen Picasso. Er stammt von 1895, als der Künstler 14 Jahre alt war. Also eine Schülerarb­eit. Dennoch soll das Minibild jetzt für 1,7 Millionen Euro weggehen. Also, da würden die meisten Laien vermutlich lieber die Vier-Meter-Kleopatra nehmen.

Es macht aber auch Spaß, über die Tefaf zu laufen, wenn man sich gar nichts kaufen kann. Die Blumen-Arrangemen­ts, mit das Schönste auf der Messe, sind sowieso unverkäufl­ich. Und immer wenn Tefaf-Zeit ist, liegt der Frühling in der Luft. Beim ersten Sonnenstra­hl sitzen sofort alle draußen. Tässchen Koffie, stukje Appelkuche­n – wer will da noch wissen, was dieser van Gogh kostet?

 ?? DPABILD: OLIVER BERG ?? Nackte Schöne am Stand der Galerie Berko: das Gemälde „The Charmer“von Pierre Joseph Mousset.
DPABILD: OLIVER BERG Nackte Schöne am Stand der Galerie Berko: das Gemälde „The Charmer“von Pierre Joseph Mousset.

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