Maastricht erfüllt Männerfantasien
Ewige Werte trotzen ;exismus-Debatten – Nirgends Preisschildchen
MAASTRICHT – Überlebensgroß räkelt sich die schöne Nackte auf einem Eisbärenfell und blickt sich einladend zum Betrachter um. „The Charmer“heißt das Gemälde von Pierre Joseph Mousset, entstanden im Jahr 1894. #MeToo war da noch kein Thema.
Die Kunstmesse Tefaf in Maastricht strotzt nur so vor Männerfantasien. Der vielleicht größte Hingucker ist ein gigantisches Gemälde von Julius Kronberg (1850–1921): „Cleopatra“. Die ägyptische Herrscherin greift gerade zur Giftschlange, um sie sich im nächsten Moment an die freigelegte Brust zu setzen.
Großes Tabu
Sexismus-Debatten, Konjunkturzyklen, politische Krisen? In Maastricht interessiert das alles nicht. Hier geht es um ewige Werte. Egal was sich dort draußen tut, die Altmeister-Messe sieht jedes Jahr gleich aus. Es gibt zum Beispiel ein paar Anbieter, die ganz auf holländische Marinemalerei spezialisiert sind. Mal dümpeln die Schiffe bei Windstille mit erschlafften Segeln vor sich hin, mal legen sie sich bei einer frischen Brise stramm zur Seite, so dass man schon vom Hinschauen seekrank wird.
Die Pariser Galerie Meyer
wiederum ist spezialisiert auf „Ozeanische und EskimoKunst“. Inhaber Anthony Meyer erörtert auf Nachfrage das Thema Restitution – die Rückgabe von Kunstwerken, die in diesem Fall zu Kolonialzeiten aus Übersee geraubt wurden.
Präsident Emmanuel Macron hat kürzlich versprochen, solche Objekte nach Afrika zurückzugeben. Er sei sehr gespannt, wie das praktisch ablaufen solle, sagt Meyer. „Es wird sehr viel komplizierter sein, als unser hoch verehrter Präsident sich das vorstellt.“Da wirdNs dann doch mal kurz politisch auf der Tefaf.
Sexistische Bilder sind hier wie erwähnt kein Problem, aber es gibt ein anderes gro-
ßes Tabu: die Preise. Auf der ganzen Messe gibt es keine Preisschildchen. Und wenn man nach dem Preis fragt, kann es sein, dass man zu hören bekommt: „Ich nenne keine Preise.“Der das sagt, ist Howard Shaw, Direktor der New Yorker Hammer Galleries. Er hat einen kleinen van Gogh im Sortiment.
Tässchen Koffie
„Sehen Sie“, erklärt er, „gegebenenfalls kommt jemand und kauft das Bild, und dann will er vielleicht lieber nicht, dass seine Freunde wissen, wie viel er dafür bezahlt hat.“Aha. Aber was, wenn man nun selbst ein Kaufinteressent ist, dann würde man den Preis doch genannt bekommen,
oder? Mr. Shaw mustert sein Gegenüber. „Es kostet das, was man von einem van Gogh erwarten würde.“
Ein paar Stände weiter gibt es einen Picasso. Er stammt von 1895, als der Künstler 14 Jahre alt war. Also eine Schülerarbeit. Dennoch soll das Minibild jetzt für 1,7 Millionen Euro weggehen. Also, da würden die meisten Laien vermutlich lieber die Vier-Meter-Kleopatra nehmen.
Es macht aber auch Spaß, über die Tefaf zu laufen, wenn man sich gar nichts kaufen kann. Die Blumen-Arrangements, mit das Schönste auf der Messe, sind sowieso unverkäuflich. Und immer wenn Tefaf-Zeit ist, liegt der Frühling in der Luft. Beim ersten Sonnenstrahl sitzen sofort alle draußen. Tässchen Koffie, stukje Appelkuchen – wer will da noch wissen, was dieser van Gogh kostet?