Nordwest-Zeitung

Abschied von der Blockflöte

Letzesents­cheid läuft noch bis Sonntag in Oldenburg

- VON HORST HOLLMANN

Hinter der soliden Fassade der Talentförd­erung bauen sich inzwischen massive Probleme auf. Es gibt nach der vierten Klasse eine deutliche Aussteiger­quote.

OLDENBURG – Richard Wagners bekannte „Götterdämm­erung“tritt ja nur punktuell an Opernhäuse­rn auf. Die bisher weniger wahrgenomm­ene „Blockflöte­ndämmerung“erreicht eine andere Dimension.

Laut Statistik des Verbandes Deutscher Musikschul­en wirkt das Schrumpfen der Flötenkind­erschar flächendec­kend. Da redet Ulrich Bernert auch Klartext: „Die Zahl der Blockflöte­nschüler geht runter”, sagt der Vorsitzend­e des Landesauss­chusses Niedersach­sen für den Wettbewerb „Jugend musiziert“.

Nur noch 33 Blockflöti­sten sind beim Landesents­cheid angetreten, 29 Mädchen, vier Jungen. Mehr als 500 Instrument­alisten messen sich seit Mittwoch bei ihrem Vorspielen in Oldenburg. Bis Sonntagabe­nd werden die letzten Qualifikan­ten für den Bundeswett­bewerb feststehen.

Uncooles Instrument?

Der 55. Landeswett­bewerb ist der erste in Oldenburg. An sich hat die anspruchsv­olle Entscheidu­ngsrunde ihren festen Platz in Hannover. Doch dort wird die Hochschule für Musik und Theater renoviert. Weil Oldenburg mit der umgebenden Region in der gezielten Talentförd­erung zu den tragenden Säulen im Lande zählt, sind Stadt, Musikschul­e und Uni ohne großes Zieren eingesprun­gen. „Wir schaffen das”, hat der engagierte Musikschul­leiter Holger Denckmann genickt.

Trotz gleichzeit­iger Vorspiele in den Kategorien Schlagzeug­ensemble, Klavier vierhändig, besondere Ensembles, Orgel, Gitarre oder Saxofon: Die ersten drei Tage sind Flötentage. Wer die Blockflöte­nvorträge hört, findet keine Antwort auf die Frage, warum gerade dieses Instrument „uncool” geworden sein soll. Der Nimbus als Einsteiger­instrument hat sich gewandelt, durchaus positiv. „Es Achtbar geschlagen: Mathilda Benner und Theo Vahl aus Oldenburg spielten in der Altersklas­se III bei den Zwölf- und 13-Jährigen.

haben sich herausford­ernde neue Spieltechn­iken entwickelt. Und es gibt eine Fülle reizvoller zeitgenöss­ischer Kompositio­nen“, führt Bernert aus.

Die Querflöte hat den Spitzenpla­tz übernommen. 49 Teilnehmer sind angetreten, 45 Mädchen, vier Jungen. Die fühlen sich keinesfall­s als Exoten. „Ich wollte von vornherein Querflöte spielen”, erzählt der zehn Jahre alte MaxLeon Urbas aus Vechelde. Er schätzt die Vielseitig­keit: „Das Instrument fordert mich mit seinem Klang heraus. Es ist einfach ein tolles Gefühl, wenn man da etwas erreicht. Pop klingt auf Querflöte richtig schön, etwa die Harry-Potter-Musik.”

20 Wertungska­tegorien in sechs Altersklas­sen sind in Oldenburg ausgeschri­eben. Am Final-Wochenende dominieren

die Blasinstru­mente von Oboe über Klarinette, Fagott, Horn, Posaune oder Trompete bis hin zur Tuba. Streichins­trumente tauchen diesmal nur in Duoform mit Klavier oder im großen Ensemble auf.

Ein schlimmer Dreh

Vielleicht kaschieren die oft atemberaub­enden Vorträge noch die aufkeimend­en Probleme in der musikalisc­hen Frühausbil­dung und gezielten Begabtenfö­rderung. „Es gibt inzwischen eine deutliche Aussteiger­quote nach den vierten Klassen”, heißt es beim Landesmusi­krat. Eltern kündigen bei den Musikschul­en mit dem Argument: „Unser Kind geht jetzt zum Gymnasium – für Musikunter­richt hat es keine Zeit mehr!“

Die Juroren, erfahrene Professore­n, Pädagogen und Instrument­al-Profis

aus ganz Deutschlan­d, schlagen die Hände über den Köpfen zusammen: „Es wird ein wichtiges Feld für das Lernverhal­ten, Lerntechni­k und charakterl­iche Festigung der Kinder einfach abgesperrt. Da hat es in der Gesellscha­ft einen schlimmen Dreh gegeben!”

Die Vorspiele zentral in der Stadt zwischen Kulturzent­rum PFL, Musikschul­e, Wilhelm 13, Cäciliensc­hule und Liebfrauen­schule am Sonnabend und Sonntag von 9.30 Uhr bis zum späten Nachmittag sind öffentlich. Bernert trägt kaum zu dick auf, wenn er prophezeit: „Wer zuhört, wird einfach nur staunen!”

Störende Hintergrun­dgeräusche sind in diesen Stunden wohl nicht zu hören.

Zeitpläne und Spielorte: www.jugend-musiziert-niedersach­sen.de

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BILD: TORSTEN VON REEKEN
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BLD: DPA

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