Dämpfer für Merkel
Knappes Wahlergebnis zeigt Unmut nach Groko-Gezerre
Mehr als 30 Abgeordnete der Koalitionsfraktionen wählten Merkel nicht. Schon jetzt wird über das vorzeitige Ende ihrer Amtszeit spekuliert.
BERLIN – Angela Merkel hat nach dem langen Ringen um eine erneute Große Koalition bei der Kanzlerwahl nur eine knappe Mehrheit erhalten. Die 63-jährige CDU-Chefin bekam am Mittwoch im Bundestag lediglich neun Stimmen mehr, als zu ihrer vierten Wahl als Bundeskanzlerin notwendig waren. Mindestens 33 Abgeordnete der Koalitionsfraktionen wählten Merkel hingegen nicht.
Auf das relativ knappe Ergebnis reagierte die SPD mit Erstaunen, die Opposition mit
Kritik an der Neuauflage der Großen Koalition. „Es waren mehr Gegenstimmen, als ich erwartet hätte“, sagte SPDChefin Andrea Nahles der „Welt“. Die SPD sei „sehr geschlossen“gewesen. „Darum kann ich mich nur wundern.“
Von 688 gültigen Stimmen entfielen nach Angaben von Bundestagspräsident Wolfgang
Schäuble (CDU) 364 auf Merkel, 355 brauchte sie mindestens. Schwarz/Rot verfügt über 399 Sitze, zwei Unionsabgeordnete fehlten. Grüne und FDP erklärten, sie hätten die CDU-Chefin nicht unterstützt. Der Bundestag hat 709 Abgeordnete. Von 692 abgegeben Stimmen waren vier ungültig. 364 Parlamentarier stimmten mit Ja, 315 mit Nein. Neun enthielten sich.
Linke und Grüne werteten das Wahlergebnis als Zeichen für die Zerrissenheit der Großen Koalition. FDP-Chef Christian Lindner sprach von einem „Autoritätsverlust“der Kanzlerin. Auch für Politikwissenschaftler Herfried Münkler spiegelt das Ergebnis „die mühseligen Verhandlungen bei der Koalitionsbildung wider“. Im Ð-Interview sagte er, die Politik sei konturlos geworden. „Die Kanzlerin wäre klug beraten, nach zwei Jahren den Weg freizumachen.“
Bundespräsident FrankWalter Steinmeier rief die neue Bundesregierung am Mittwoch dazu auf, das Vertrauen der Bevölkerung zurück zu gewinnen. Dafür werde ein „schlichter Neuaufguss des Alten“nicht genügen.