Nordwest-Zeitung

Kalter Krieg zwischen London und Moskau

Großbritan­nien weist 23 russische Diplomaten aus – Kreml k<ndigt =ergeltung an

- VON SILVIA KUSIDLO UND FRIEDEMANN KOHLER

Nach dem Giftanschl­ag auf den Ex-Doppelagen­ten Sergej Skripal verhängt Großbritan­nien Sanktionen. Wie wird nun Russland reagieren?

LONDON/MOSKAU – Großbritan­nien weist wegen des Giftanschl­ags auf den Ex-Doppelagen­ten Sergej Skripal 23 russische Diplomaten aus. Zudem werden bilaterale Kontakte „auf hoher Ebene“auf Eis gelegt, sagte Premiermin­isterin Theresa May am Mittwoch im Parlament in London. Zuvor hatte Russland ein britisches Ultimatum zur Aufklärung des Attentats verstreich­en lassen.

Skripal (66) und seine Tochter Yulia (33) waren am 4. März bewusstlos auf einer Parkbank in der südenglisc­hen Kleinstadt Salisbury entdeckt worden. Sie befinden sich in einem kritischen Zustand. Nach britischen Angaben wurden sie Opfer des chemischen Kampfstoff­es Nowitschok.

Das Attentat auf Skripal erinnert an den Fall des ExAgenten Alexander Litwinenko, der 2006 in London mit radioaktiv­em Polonium vergiftet wurde. Auch damals führten die Spuren der Täter nach Moskau.

Moskau weist die Vorwürfe vehement zurück und droht seinerseit­s mit Konsequenz­en. Russland lasse nicht in der Sprache von Ultimaten

mit sich reden, sagte Kremlsprec­her Dmitri Peskow. Die russische Botschaft nannte die Ausweisung der Diplomaten „unakzeptab­el, ungerecht und kurzsichti­g“.

Premiermin­isterin May gab bekannt, die 23 Diplomaten hätten eine Woche Zeit, um das Land zu verlassen. London zog auch eine Einladung an den russischen Außenminis­ter Sergej Lawrow zu einem Besuch in Großbritan­nien zurück. Regierungs­vertreter und Mitglieder des Königshaus­es werden im Sommer nicht zur Fußball-WM nach Russland reisen. Russischer Staatsbesi­tz werde eingefrore­n, wo immer die Regierung Belege habe, dass er für Geheimoper­ationen gegen

Großbritan­nien genutzt werde. Zudem verschärft London Kontrollen von Privatflie­gern, beim Zoll und Frachtverk­ehr.

London hatte gefordert, dass sich Moskau bis 1 Uhr MEZ in der Nacht zum Mittwoch zur Herkunft des bei dem Attentat verwendete­n Nervengift­s äußern müsse. Das extrem gefährlich­e Nowitschok war einst in der Sowjetunio­n entwickelt worden. Woher das Gift für den Anschlag kam, ist nicht geklärt.

Das Verhältnis beider Länder ist schon lange angespannt. Bereits mehrfach haben London und Moskau gegenseiti­g Diplomaten ausgewiese­n. Es handelt sich aber um die größte einzelne Ausweisung von Russen seit mehr als 30 Jahren, wie May in ihrer Rede betonte. Wer Großbritan­nien versuche zu schaden, für den gebe es nur eine einfache Botschaft: „Ihr seid hier nicht willkommen­O“

Der Streit erinnert an Zeiten des Kalten Krieges. Beide Seiten schaukeln sich darin hoch, wenn auch aus unterschie­dlichen Motiven. May und ihre konservati­ve Regierung stehen wegen der BrexitVerh­andlungen unter Druck und müssen Stärke zeigen. Russland wiederum nimmt wenige Tage vor der Präsidente­nwahl die Gelegenhei­t wahr, sich als Opfer einer weiteren westlichen Verschwöru­ng darzustell­en, die man aber stolz abwehrt.

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AP-BILD: MATTHEWS Soldaten tragen ScIutzanzü­ge wäIrend der Ermittlung­en zum GiftanscIl­ag.

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