Fünf Fragezeichen im Kabinett Merkel IV
)o sich in der neuen Großen Koalition Konflikte abzeichnen
BERLIN – Die vierte Große Koalition der Bundesrepublik ist im Amt. Einige Namen versprechen viel Spannung – und es zeichnen sich Konflikte ab. Fünf Fragen sind besonders interessant.
Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) muss sich mit Vizekanzler und Finanzminister Olaf Scholz (SPD) in der Europapolitik einigen. Sollen Milliarden zum Kampf gegen die hohe Jugendarbeitslosigkeit in der EU fließen, soll mehr Haftung übernommen werden für die Schulden anderer? Und wie antwortet Deutschland auf die „Mehr Europa“-Reformvorschläge von Frankreichs Präsident Emmanuel Macron? Von 2007 bis 2009 war Scholz schon Bundesarbeitsminister unter Merkel, mit Kurzarbeitsregelungen wurden Hunderttausende Jobs gerettet – als Kassenwart hat Scholz mehr Macht, um Merkel zu ärgern und „roten“Projekten Vorrang zu geben. Neue Schulden will er nicht.
Nach Meinung von AfD-Chef Alexander Gauland ist der konservative Merkel-Kritiker Jens Spahn nur deshalb Gesundheitsminister geworden, weil die AfD so stark geworden ist. Spahn geißelte Merkels Flüchtlingspolitik der offenen Grenzen. Und noch vor dem Start der Koalition provozierte er die SPD mit der Aussage, mit Hartz IV habe „jeder das, was er zum Leben braucht“. Kritiker warfen ihm daraufhin unter anderem vor, die Unterschiede zwischen Arm und Reich herunterzuspielen.
Bei der Unterzeichnung des Koalitionsvertrags schäkerten sie fast: Innen-, Bau- und Heimatminister Horst Seehofer (CSU) und die Justizministerin Katarina Barley (SPD) werden bei der Ausarbeitung der Gesetze für eine Begrenzung der Flüchtlingszahlen streiten – die SPD versteht die angestrebte Begrenzung auf 180000 bis 220000 nicht als feste Obergrenze. Seehofer will eine harte Linie bei der inneren Sicherheit, schon in der letzten Koalition wurde zum Beispiel die Vorratsdatenspeicherung zum großen Zankapfel. Und eine Frage ist, wie Seehofer mit dem Superministerium klarkommt.
Bisher war Franziska Giffey (SPD/39) die resolute Bürgermeisterin von Berlin-Neukölln und musste dort das Zusammenleben mit Bürgern aus 150 Ländern organisieren. Sie prangert es an, wenn ihr Muslime nicht die Hand geben wollen, weil sie eine Frau ist. Und sagt: „Wir brauchen einen starken Staat, der sagt: Es gibt Grenzen.“Wird Giffey als Familien- und auch Integrationsministerin zum Gesicht für einen neuen pragmatisch-humanitären Ansatz der SPD und der Koalition?
Nur Ursula von der Leyen (CDU/Verteidigung) und Gerd Müller (CSU/Entwicklung) bleiben neben Merkel auf dem gleichen Posten wie zuvor. Es könnte bei so vielen neuen Ressortchefs spannende Akzente geben. Wie wird sich die frühere Hotelmanagerin Anja Karliczek (CDU) als Bildungsministerin schlagen? Wird Peter Altmaier (CDU) als Wirtschaftsminister zum Hans Dampf in allen Gassen, der die Energiewende zur Chefsache macht und energisch gegen einen Handelskrieg mit den USA kämpft? Und kann Außenminister Heiko Maas (SPD) seinem russischen Pendant Sergej Lawrow Paroli bieten? Langweilig wird es nicht.