Die Freiheit eines Bestsellerautors
Klaus Modick liest in Ð6Reihe „Begegnungen“aus neuem Roman
Der Oldenburger Schrift6 steller (66) stellte sein Buch „Keyserlings Ge6 heimnis“vor, das gerade erschienen ist. Sein vor6 heriger Künstlerroman stand wochenlang auf den Bestsellerlisten.
OLDENBURG – „Jetzt kann ich ja“– kleine, zufriedene Pause –, „aber vorher konnte ich auch.“Nämlich tun, was er will. Dennoch hat Klaus Modick die Resonanz auf seinen Roman „Konzert ohne Dichter“als „Befreiung“erlebt, verrät er im Gespräch mit Dr. Reinhard Tschapke, Leiter des Ð-Kulturressorts. Vom „Goodseller“zum Bestseller. Ob sein neues, gerade erschienenes Buch „Keyserlings Geheimnis“auch einer wird?
Ein wenig skeptisch ist der 66-Jährige schon, aber dass es erfolgreich sein wird, sagt er, das zeichne sich bereits ab.
Gemälde im Zentrum
Vor drei Jahren hatte der Oldenburger Schriftsteller in der Ð-Reihe „Begegnungen“aus dem Worpswede-Roman „Konzert ohne Dichter“im Kulturzentrum PFL gelesen. Nun also „Keyserlings Geheimnis“, wieder ein Künstlerroman von „einem der wichtigsten deutschsprachigen Autoren“, wie Tschapke den Gast vorstellte. Statt eines Malers (Heinrich Vogeler) diesmal ein Schriftsteller, statt des Teufelsmoors der Starnberger See. Statt eines norddeutschen Mythos die „noble Edelfäule“eines baltischen, dichtenden und an Syphilis erkrankten Dandys um die Jahrhundertwende.
Und wieder steht ein Gemälde im Zentrum des Romans: das Porträt des Grafen Keyserling, gemalt von keinem Geringeren als Lovis Co-
(1858–1925). Der deutsche Impressionist hat den Schriftsteller Eduard von Keyserling (1855–1918) – wahrlich kein Adonis – bei einer Sommerfrische mit Freunden der Münchner Bohème am Starnberger See gemalt. Und zwar so hässlich, dass er aussieht wie ein „schlottriger Don Quichotte“. Das Gemälde hängt heute übrigens in der Neuen Pinakothek in München.
Modick auf dem Podium liest rund eine Stunde lang aus seinem Buch, die flache Lesebrille auf der Nasenspitze balancierend. Und er liest gut, die eigene Ironie, die der des geistreichen Grafen wohl gefallen hätte, geschickt einsetzend. Nur das „Geheimnis“plaudert er nicht aus, gibt aber ein paar Hinweise.
Dass er ausgerechnet einen Roman über den Schriftsteller geschrieben hat, sei eher dem Zufall geschuldet, erzählt er, und bekennt sich als Fan des Autors, der als DamenSchriftsteller der Jahrhundertwende galt und inhaltlich „ziemlich hanebüchene Schlossgeschichten“schrieb.
Dies aber äußerst raffiniert, voller Humor und mit „ausgefuchster Ironie“. Marcel Reich-Ranicki hatte Keyserlings Werke im „Literarischen Quartett“gelobt, der Schriftsteller Thomas Mann nannte ihn in seiner Grabrede den „besseren Fontane“.
Großer Skandal
Doch hatte Keyserling kurz vor seinem Tod verfügt, dass sein gesamter schriftlicher Nachlass vernichtet wird. Die Erben hielten sich unglücklicherweise daran, so dass bis heute weite Teile seines Lebens, vor allem ein großer Skandal, im Dunkeln liegen.
Modick hat sich zunächst respektvoll an der bekannten Faktenlage orientiert: Keyserling, 1855 als zehntes Kind einer ländlich adeligen Familie auf Schloss Paddern in Kurland (Lettland) geboren, studierte von 1875 bis 1877 Rechtswissenschaft in Dorpat (heute Estland). Aus bis heute unbekannten Gründen wurde er aus der studentischen Verbindung Coronia ausgerinth
schlossen und fortan von der Gesellschaft gemieden. Er flüchtete als 23-Jähriger nach Wien und zog zehn Jahre später nach München, genauer: nach Schwabing, der damaligen „Hauptstadt des Schlawinertums“.
Der Skandal weckte nicht nur das Interesse Modicks, er ist für ihn auch Dreh- und Angelpunkt dieser Schriftstellerexistenz. Dazu erfindet er eine Liebesgeschichte und lässt am Rande und so ganz nebenbei auch die eigene Heimatstadt auftauchen. Keyserling war zwar nie Oldenburg, aber hat gehört, „dass sie recht angenehm sein soll“. So viel Freiheit muss ein. Und Modick kann ja nun tun, was er will.