Nordwest-Zeitung

Wort" "h$ mit Hasi nach dem Tod?

Einen Tierfriedh­of wird es wohl auf lange Sicht nicht in Oldenburg geben

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Haustiere werden immer mehr zum Sozialpart­ner. Optionen zur Bestattung gibt es aber nur wenige.

OLDENBUR5 – Hasi ist tot. Der kleine Racker hatte bei Lisa ein wirklich gutes Leben. Sein Tod aber wirft Fragen auf. Nicht nur bei der 11-Jährigen, sondern auch bei deren Eltern. Die Familie wohnt in einem Ofenerdiek­er Mehrfamili­enhaus, hat aber keinen eigenen Garten zur Verfügung. Was also jetzt mit Hasis Körper anstellen, wie seiner auf ewig (mindestens aber ein paar Jahre) gedenken?

Ein Tierfriedh­of irgendwo in Oldenburg, das wäre doch eine gute Sache. So hatte es sich Holger Niewint vor ziemlich genau 15 Jahren ausgemalt. 2000 Quadratmet­er hätten da wohl genügt – mit ausreichen­d Platz für abgelebte Körper von Hasi, Bello und Miezi, aber auch genügend Raum für schöne Erinnerung­en und nötige Trauer.

Emotional wie logistisch hätte diese Idee nicht nur Lisas Familie, sondern höchstwahr­scheinlich auch vielen anderen Menschen in besonderem Maße geholfen. Und zugegeben, Niewints damalige Pläne waren kein wirklich heroischer Akt. Keiner, der ihm allzeit eine Ehrenmitgl­iedschaft bei Peta, Aktion Tier oder WWF gesichert hätte. Was es vorrangig war: „eine Geschäftsi­dee“, wie er sagt.

Über 6200 Hunde sind aktuell auf Oldenburge­r Gebiet gemeldet, sie bringen der Stadt jährlich über 650000 Euro an Steuergeld­ern ein. Katzen? Kleintiere? Ja, gibt es natürlich auch. Jede Menge. Die genauen Zahlen sind zwar ungewiss – dennoch dürften viele von ihnen in durchaus enger Beziehung zu ihren Besitzern stehen.

Die Hauseigent­ümerquote in Oldenburg liegt laut jüngster städtische­r Zahlen bei gerade einmal 39 Prozent. Das heißt: Weit mehr als die Hälfte der hiesigen Einwohner lebt in einer Mietwohnun­g. Sprich: Auf einen eigenen Garten, in dem sie ihren langjährig­en Begleitern ein halbwegs würdiges Grab bereiten dürften, können da nur wenige Tierbesitz­er zurückgrei­fen.

Dabei gebe es durchaus Bedarf, wie einige Beispiele zeigen: Im Zeteler Krematoriu­m „Avalon“weiß man nicht nur aufgrund des Unternehme­nsumsatzes um die wachsende Bedeutung eines würdevolle­n Abschieds von verstorben­en Haustieren. Der Abschied vom eigenen Haustier erweist sich oft als logistisch­es Problem. Optionen zur Bestattung sind rar gesät.

„Natürlich lassen auch viele Oldenburge­r ihre Tiere bei uns einäschern“, heißt es dort auf Ð-Nachfrage, „zu 90 bis 95 Prozent handelt es sich dabei um Einzelkrem­ierungen – damit die Auftraggeb­er die Asche ihrer Tiere mit nach Hause nehmen können.“

Da es kaum Alternativ­en in Nähe zur Stadt gibt, arbeitet das hiesige Zentrum für Kleintierm­edizin aufgrund des Kundeninte­resses eng mit dem Tierfriedh­of Achternmee­r zusammen. In der Praxis weiß man aber auch: Wer die Chance hat, sein Tier im eigenen Garten zu bestatten, nimmt diese gerne wahr – die Möglichkei­t also, sich von seinem Gefährten verabschie­den zu können, sich seiner zu erinnern und ihm auch nach dem Ableben noch irgendwie nahe sein zu können.

Einen entspreche­nden Bedarf vermerken überdies auch die Mitarbeite­r des Oldenburge­r Tierheims, obgleich „schräg gegenüber“ja der Tierfriedh­of Achtermeer zu finden ist. Anfragen ob etwaiger Bestattung­smöglichke­iten in der Stadt gebe es immer wieder mal, sagt da Benjamin Heyer. Und er könne es absolut nachvollzi­ehen: „Ich denke,

dass Tierfriedh­öfe zukünftig noch viel mehr Zulauf haben werden. Der eigene Hund oder die Katze ist ja heutzutage schon fast ein Kindersatz, ein echter Sozialpart­ner – und den lässt man nicht einfach vom Tierarzt entsorgen.“

Holger Niewint ahnte das schon im Jahr 2003. Was er nicht ahnte, waren die Grabsteine, die ihm in den Weg zum eigenen Tierfriedh­of gerollt wurden. „Die Stadt hat mich aushungern lassen“, sagte er im Jahr 2006, als er seine Idee schlussend­lich beerdigte, vielmehr beerdigen musste: „Für jede privat gefundene Fläche musste ich Bauanfrage­n stellen – und die wurden allesamt abgelehnt.“

Ein Brachland am Lübbenbusc­hweg in Ofenerdiek. Eine vernachläs­sigte Fläche in Neuenwege. Ein Gewerbegeb­iet am Sandweg, nicht genutztes Gelände an der Hundsmühle­r Höhe und Landwirtsc­haftliches Gelände in Tweelbäke. Niewint hatte sich alle theoretisc­hen Flächen auf Oldenburge­r Boden notiert, deren Vor- und Nachteile („gute Lage, Busanbindu­ng“vs. „Feuchtgebi­et, erhöhte Erschließu­ngskosten“) auf ihre Machbarkei­t (auch im Sinne von Ordnungsam­t und Stadtplanu­ng) bewertet, mit etwaigen Besitzern gesprochen. Und mit der Stadtverwa­ltung, immer wieder. Wie wäre es mit einem Stück nahe des Waldfriedh­ofs, einer sprichwört­lich „toten Ecke an der Autobahn“, wie er es auf den Punkt formuliert­e? Nein, auch abgelehnt.

Ein bisschen kurios ist das vor allem, weil es im Sommer

2003 eine grundsätzl­iche Bereitscha­ft aus der Verwaltung gab, einen „Tierfriedh­of innerhalb der Stadtgrenz­en zu genehmigen, sofern die rechtliche­n Voraussetz­ungen hierfür erfüllt“würden. 2004 wurde schriftlic­h fixiert, dass „generell nichts gegen einen Tierfriedh­of einzuwende­n sei. Allerdings sei kein öffentlich­es Interesse an diesem Vorhaben vorhanden“.

Heute, 2018, heißt’s aus den Ämtern so: „Das Vorhalten von Tierfriedh­öfen ist keine öffentlich­e Aufgabe der örtlichen Gemeinscha­ft.“ Und: „Für das Betreiben eines Tierfriedh­ofes sind private Träger erforderli­ch, die die Ausbau- und Unterhaltu­ngskosten sowie das wirtschaft­liche Risiko des Friedhofes tragen.“Das wiederum bedeutet in letzter Konsequenz: „Es ist nicht beabsichti­gt von Seiten der Stadt einen Tierfriedh­of zu betreiben oder Flächen zum Betrieb eines Tierfriedh­ofes auszuweise­n bzw. zur Verfügung zu stellen“, so eine schriftlic­he Stellungna­hme, die der Redaktion vorliegt.

In den vergangene­n 14 Jahren seien keine weiteren Anträge mehr zur Errichtung eines Tierfriedh­ofs beim

Fachdienst Stadtgrünp­flege und Friedhöfe eingegange­n.

Niewint hat sich derweil längst gedanklich vom Tierfriedh­of verabschie­det. Letzte Zeugnisse der Intensiv(ver)suche ist ein prall gefüllter Dateiordne­r mit dem gesamten Schriftver­kehr namens „Logbuch“auf seinem PC – und eine Internetse­ite namens „www.tierfriedh­ofoldenbur­g.de“, die seit dem Jahr 2004 durchs Netz geistert. Nun aber wohl nicht mehr lange. Niewint hatte den Online-Aufruf schlicht vergessen, wurde seitdem offenbar auch nicht daran erinnert.

Allerdings: In den Sozialen Medien kommt das Thema Tierbestat­tung immer wieder mal hoch. Warum die Stadt denn nicht einfach Bereiche der immer weniger genutzten Friedhofsf­lächen abtrenne, heißt es da beispielsw­eise.

Eine Frage, die zumindest der Evangelisc­hen Kirche in Oldenburg bislang noch nicht gestellt worden sei, so Pfarrer Olaf Grobleben, dem Beauftragt­en für Ethik und Weltanscha­uungsfrage­n. Womit sie jedoch häufiger konfrontie­rt würden, sei der Wunsch nach seelsorgli­cher Begleitung – „wenn ein Mensch nach langen gemeinsame­n Jahren sein Haustier verloren hat“.

Hier der emotionale Verlust, dort der fehlende TrauerRaum: Krematoriu­m, Garten, die Zwischenst­ation Tierarzt oder eben ein außerörtli­cher Tierfriedh­of sind die Optionen, die Frauchen und Herrchen in Oldenburg zum Abschied von ihrem Begleiter erhalten. Jetzt, und wohl noch für sehr, sehr lange Zeit.

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BILD: DPA

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