Nordwest-Zeitung

Überpartei­li$h, aber ni$ht neutral

PORTRÄT Seit einem Jahr ist Frank-Walter Steinmeier Bundespräs­ident

- VON ANDREAS HERHOLZ, BÜRO BERLIN

Der Termin in Mainz ist ganz bewusst gewählt, die Rede an diesem Montag auch ein Stück Rückblick auf das erste Jahr im Amt. Es ist die letzte Etappe von FrankWalte­r Steinmeier­s Deutschlan­dtour durch die Republik mit Stationen in allen Bundesländ­ern. „Wir müssen wieder lernen, für die Demokratie zu streiten“, hatte Steinmeier am 19. März 2017 gefordert, als er das Amt des Bundespräs­identen von Joachim Gauck übernommen hatte, und gemahnt, entschloss­en für diese historisch­en Errungensc­haften, für Einigkeit und Recht und Freiheit einzutrete­n, sie „mit Leben zu füllen und zu verteidige­n, jeden Tag auf Neue“.

Genau ein Jahr später, wird er es wieder tun, aber er wird vor allem auch eine Lanze für diejenigen brechen, die politische Verantwort­ung übernehmen. Es seien eben auch die gewählten Politikeri­nnen und Politiker, auf die es ankomme, so Steinmeier. „Wir brauchen auch Politikeri­nnen und Poliren.

tiker, die regieren wollen und bereit sind, die dafür unvermeidl­ichen Kompromiss­e einzugehen, und wir brauchen sie in allen demokratis­chen Parteien.“Steinmeier sieht seine Rolle als Mutmacher und Anwalt der Demokratie.

Hatte er sich anfangs aus dem politische­n Tagesgesch­äft herausgeha­lten, zögerte er nicht, als die Sondierung­en für ein Jamaika-Regierungs­bündnis gescheiter­t wa- „Wer sich in Wahlen um politische Verantwort­ung bewirbt, der darf sich nicht drücken, wenn man sie in den Händen hält“, appelliert­e Steinmeier vor allem auch an die SPD, sich Verhandlun­gen über eine Große Koalition nicht zu entziehen. Und die Sozialdemo­kraten lenkten ein. Nach der Vereidigun­g der Minister mahnte Steinmeier erneut: „Die Regierung ist gut beraten, genau hinzuhören und hinzuschau­en, auch auf die alltäglich­en Konflikte im Land, fern der Weltpoliti­k, wo Gewissheit­en geschwunde­n sind und das Leben schwierige­r geworden ist.“

Der Wechsel von seinem Büro im Auswärtige­n Amt hinüber ins Schloss Bellevue im Berliner Tiergarten sei eine deutlich größere Umstellung gewesen, als er gedacht habe, räumte Steinmeier kurz nach Amtsantrit­t noch ein. Zurückhalt­end bis vorsichtig empfanden Beobachter seine ersten Wochen. Routiniert wirkten seine ersten Auftritte zwar, aber ohne Glanz.

Immerhin: Gut 20 Länder hat er bereits als Staatsober­haupt besucht. Doch will Steinmeier nicht weiter den Außenminis­ter geben. Schließlic­h sind die Themenfeld­er deutlich größer und Gesprächsp­artner vielfältig­er. Statt Washington heißt es heute eher Duisburg-Marxloh. An der Seite von First Lady Elke Büdenbende­r gibt er den Bürgerpräs­identen, der vor allem zuhören will.

Doch schon jetzt hat Steinmeier klargemach­t, dass er sich auch in seiner neuen Rolle einmischen will. Überpartei­lich werde er im neuen Amt zwar sein, aber nicht neutral, wenn es um die Sache der Demokratie gehe und um Europa, versprach der erste Mann im Staate, und hat es bereits unter Beweis gestellt. Waren Steinmeier­s Popularitä­tswerte bereits als Außenminis­ter weit oben, sind sie jetzt noch einmal gestiegen, die Bürger sind offenbar mit seiner Arbeit hochzufrie­den.

Steinmeier will nicht nur den Grüßonkel geben, sondern eigene Akzente setzen. Und die nächste Krise – in der Großen Koalition oder andernorts – kommt bestimmt.

 ?? DPA-BILD: KUMM ?? Bundespräs­ident Frank-Walter Steinmeier
DPA-BILD: KUMM Bundespräs­ident Frank-Walter Steinmeier

Newspapers in German

Newspapers from Germany