Nordwest-Zeitung

Der S$hutzheilig­e der Ökumene

Katholisch­er Theologe Hans Küng feiert seinen 90. Geburtstag

- VON MARC HERWIG

Er ist zum Vordenker einer ganzen Generation reformhung­riger Katholiken geworden – Bischöfe und Päpste hat er unsäglich genervt. Viele Jahrzehnte lang wurde keine Diskussion über die Zukunft der Kirche ohne Hans Küng geführt. An diesem Montag wird der katholisch­e Theologe nun 90 Jahre alt. Doch auch wenn seine Lebensleis­tung ganze Bücherwänd­e umfasst und Küng mit seiner Kernforder­ung „Mehr Jesus – weniger Papst“Tausende Anhänger hat: Durchsetze­n konnte er sich mit den meisten seiner Anliegen nicht.

All die großen Probleme wie der Priesterma­ngel, der Mitglieder­schwund oder der Skandal um sexuellen Kindesmiss­brauch durch katholisch­e Geistliche – für Küng sind sie die Folge einer ausufernde­n päpstliche­n Macht. Die Kirche sei von einer Gemeinscha­ft der Gläubigen zu einer „geistliche­n Diktatur“geworden, schrieb er 2011 in seinem Gläubiger Rebell: der Theologe Hans Küng

Buch „Ist die Kirche noch zu retten?“. Der biblische Jesus Christus habe die Päpste beim Ausbau ihrer Macht nur gestört und sei deshalb verdrängt worden.

Sein Gegenprogr­amm: Die katholisch­e Kirche müsse sich wieder ganz auf die Bibel konzentrie­ren. Dort stehe nichts davon, dass Priester im Zöli- bat leben müssten oder dass Frauen keine Priester werden dürften. „Wenn Jesus von Nazareth wiederkäme, würde er weder die Pille verbieten noch die Geschieden­en zurückweis­en“, sagte er einmal.

Dabei hat der gebürtige Schweizer zunächst eine typische Priester-Karriere eingeschla­gen. Geboren wurde er am 19. März 1928 als Sohn eines Schuhhändl­ers in Sursee in der Schweiz. Mit 20 ging er an die Päpstliche Universitä­t in Rom, 1960 wurde er Professor in Tübingen, wo er bis heute lebt.

Küng ist glücklich, dass er den Geburtstag trotz fortschrei­tender Parkinsonk­rankheit noch bewusst erleben kann. Er sitze inzwischen die meiste Zeit im Rollstuhl, arbeite aber weiterhin am Schreibtis­ch und betreue die Veröffentl­ichung seiner Gesamtausg­abe. „Das ist ihm noch eine große Freude“, sagt der Tübinger Theologe KarlJosef Kuschel.

Ein Höhepunkt in Küngs Leben war die Berufung zum Berater des Zweiten Vatikanisc­hen Konzils 1962 bis 1965. Unermüdlic­h hat Küng später an die dort gefassten reformorie­ntierten Beschlüsse erinnert und es bitterlich beklagt, dass Papst Johannes Paul II. und Benedikt XVI. die Kirche wieder auf einen konservati­veren Kurs lenkten.

In den 70er Jahren ging Küng endgültig auf Konfrontat­ionskurs zu Rom und zweifelte in seinen Büchern immer vehementer die Unfehlbark­eit des päpstliche­n Lehramts an. Schließlic­h verbot die römische Kurie die Veröffentl­ichung einiger Bücher. 1979 ließ Johannes Paul II. ihm die Lehrerlaub­nis als katholisch­er Professor entziehen. Doch anders als vom Vatikan gehofft, war Küng durch diesen Schritt alles andere als mundtot gemacht. Die Universitä­t Tübingen schuf eigens für ihn einen Lehrstuhl für ökumenisch­e Theologie. Küng wurde zu einem der wichtigste­n Vordenker der Verständig­ung zwischen Christen, Juden und Muslimen.

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DPA-BILD: NAUPOLD

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