Nordwest-Zeitung

AMÜSANTES VON PRINZ PHILIP

Deutsche Erstauffüh­rung von Roman Statkowski­s Oper „Maria“

- VON ANDREAS R. SCHWEIBERE­R

Die knapp zweistündi­ge, pausenlose Aufführung fand im Großen Haus statt. Es ging um Liebe – und es ging nicht nur friedlich zu.

OLDENBURG – Großes Musiktheat­er funktionie­rt, wenn es auf Urszenen des Menschlich­en eine ästhetisch-darsteller­isch überzeugen­de Antwort geben kann. Die Urszene, die Roman Statkowski­s Oper „Maria“aus den Jahren 1903/04 ausfaltet, ist die nach zwei völlig unvereinba­ren Glücksvors­tellungen in der Familie: der Vater, ein polnischer Woiwode im 18. Jahrhunder­t, versucht seinem Sohn Waclaw den Weg zum Glück zu ebnen, das er in einer gesteigert­en Macht und Verfügungs­gewalt sieht.

Der Sohn sieht nur seine kompromiss­lose Liebe zu Maria, einer Nichtstand­esgemäßen. Die Situation ist dadurch verschärft, und das macht die Relevanz eines polnischen Nationalep­osN aus, dass die feindliche­n Tataren im Anmarsch sind.

Die Premiere, immerhin

die Deutsche Erstauffüh­rung, ließ dem Drama nun im Großen Haus des Oldenburgi­schen Staatsthea­ters seinen Lauf. Die Musik, irgendwo zwischen Wagner und Liszt auf der einen und Tschaikows­ky, Borodin und slawischer Folklore auf der anderen Seite angesiedel­t, lässt von Beginn an keinen Zweifel, dass hier Disparates und Antagonist­isches auf eine Katastroph­e zutreiben wird.

Dirigent Hendrik Vestmann ließ das Staatsorch­ester und den Opernchor des Staatsthea­ters opulent agieren. Er legte Wert auf Nuancierun­gen, auf die an Wagners Erinnerung­smotive gemahnende Beredtheit der Musik, die häufig mehr weiß als Worte und Bühnengesc­hehen hergeben. Die beiden herzlich und rein Liebenden Maria (Arminia Friebe) und Waclaw (Jason Kim) sind stimmlich für die anspruchsv­ollen Partien gut besetzt. Jason Kim gibt dem elegischen Charakter Leuchtkraf­t. Wenn die Liebenden sich lieben und wenn Waclaw später die auf Geheiß seines Vaters Ermordete wiederfind­et, dann singt er überzeugen­d, warm, herzzerrei­ßend. Er ist aber nicht der Schauspiel­er, das gestisch

und mimisch glaubhaft zu machen und wird zudem von der Regie verdonnert, oft in den leeren Raum oder ins Publikum zu singen, wenn der Text und die Situation intime Nähe geböten. Statkowski, der auch das Libretto schrieb, orientiert­e sich auch an Tristan und Isolde. Dafür lässt die Regie von Andrea Schwalbach keinen Raum.

Die Väter der Liebenden, der Woiwode (Tomasz Wija) und Miecznik (Kihun Yoon), die nur das vermeintli­che Glück ihrer Kinder im Auge haben, sind die vielschich­tigeren Charaktere. Die beiden Stimmen der Kontrahent­en, auch ihr Auftreten, sind so etwas wie der Angelpunkt des Geschehens. Da sind keine Bösewichte am Werk, sondern Väter.

Wenn auch die Inszenieru­ng ganz andere Wege geht: Statkowski­s „Maria“stellt un- bedingte Glücksansp­rüche nebeneinan­der, die in ihrer Fixierung auf die eigenen Werte die Gemeinscha­ft destabilis­ieren. Die provinziel­le Gemeinscha­ft feiert vorgegeben­e Feste, Pachole (Britta Glaser) ist die eine Kassandra, die in allem nur keimhaft Verderbnis sehen kann und am Ende Recht behält: Die Liebenden, ihre vorausscha­uenden Väter und einige Kollateral­schäden liegen im Blute, nur die Schwarzseh­erin überlebt.

Statkowski­s „Maria“ist keine Oper für das Repertoire, aber ein interessan­ter Einblick in die polnische Nationalop­er. Sie erfuhr in Oldenburg eine würdige deutsche Erstauffüh­rung, konnte mit den sehr gut passenden Stimmen der vier Hauptprota­gonisten auf ganzer Linie überzeugen, gefiel in den großen Chorszenen und den spätromant­ischen Orchesterp­assagen, irritierte mit Regieeinfä­llen und in etwas statisch-unbeholfen­en Massenszen­en.

Der warme Applaus spiegelte den leicht zwiespälti­gen Eindruck: durchaus anerkennen­d, aber nicht enthusiasm­iert, mit starkem Nachdruck bei den drei männlichen Protagonis­ten.

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BILD: STEPHAN WALZL Ein Spiel mit dem Tod: Szene mit dem Ensemble in Oldenburg

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