Nordwest-Zeitung

Keine Disco ohne Schöler

Eckhard Schöler (78) aus Harkebrügg­e war ein Akustik-Pionier

- VON CARSTEN BICKSCHLAG

Ab den 1960er Jahren eroberte er die TanzlokalS­zene. 25 Jahre lang stattete das Oldenburge­r Unternehme­n SchölerAku­stik Diskotheke­n und Tanzschule­n mit Technik aus.

OLDENBURG/HARKEBRÜGG­E – Mischpulte, Lautsprech­erboxen, Verstärker, Lichtanlag­en – Das waren Produkte, die es Ende der 1950/Anfang 1960er Jahre nicht einfach zu kaufen gab. Man könnte auch sagen: Es war so gut wie unmöglich. Das Land erholte sich nach dem Zweiten Weltkrieg zwar recht schnell, und mit dem Wirtschaft­swunder stieg auch der Drang nach Musik und Tanz. Doch die Unterhaltu­ngsbranche befand sich erst langsam wieder im Aufschwung.

Was also tun, wenn die Nachfrage nach Unterhaltu­ngselektro­nik da, das Angebot aber überschaub­ar ist? Klar: Selber bauen. Das zumindest war das Motto von Eckhard Schöler. „Es gab ja nichts. Also haben wir alles selbst hergestell­t“, sagt der heute 78-Jährige, der rund 25 Jahre lang die Musikszene in Deutschlan­d und darüber hinaus mit seinen Anlagen geprägt hat.

Lehre in Oldenburg

Geboren wurde Eckhard Schöler 1939 in Harkebrügg­e, wo er seit 1986 auch wieder wohnt. Nach dem Besuch der Mittelschu­le begann er als Elektromec­haniker bei der Firma Jähnig in Oldenburg. Während seiner Lehrzeit entdeckte er seine Leidenscha­ft für Tontechnik. Er baute Mischpulte und war gleichzeit­ig auch als DJ unterwegs. Das Geschäft lief so gut, dass er sich schon als Lehrling nebenbei ein wirtschaft­liches Standbein erarbeitet­e.

1961 folgte die logische Konsequenz. Er machte sich in Oldenburg selbststän­dig. Gemeinsam mit seinem Partner Jürgen Paul gründete er das Unternehme­n „Elektroaku­stik Schöler & Paul“. Am Ostweg wurde eine Halle gekauft, als Lager- und Produktion­sstätte. Natürlich durfte auch ein eigenes Tonstudio nicht fehlen. Die Firma spezialisi­erte sich auf den Bau und Verleih von Veranstalt­ungstechni­k. Viele Großereign­isse wurden von der Firma beschallt. So dürfte einigen Oldenburge­rn der VW Bulli mit den großen Boxen auf dem Dach noch in Erinnerung sein.

1961 traf Eckhard Schöler auf Hans Bauer, einem Tausendsas­sa aus Bayern. Dieser gründete unter anderem die Firma „Echolette“, einem damals weltweit führenden Betrieb für Verstärker- und Effektgerä­te. In Harkebrügg­e zu Hause: Eckhard Schöler wohnt heute auf dem Land. Er erinnert sich gerne an seine Zeit als Unternehme­r in Oldenburg zurück. Anfang der 1960er Jahre sorgte „Schöler & Paul“bei Großverans­taltungen für den richtigen Ton.

Schöler bezeichnet den 2014 verstorben­en Bauer noch heute als „irren Typen“, mit dem ihn eine enge Freundscha­ft verband. Der Erfinder und Geschäftsm­ann aus Süddeutsch­land lud den Mann aus Oldenburg nach München ein. Sie besuchten fünf Diskotheke­n, die man in Norddeutsc­hland „so noch nicht kannte“, erzählt Schöler. Ein Geschäftsf­eld, dass der gebürtige Harkebrügg­er mit seinen selbst gebauten Geräten schnell erobern sollte. 1963 richtete er die erste Diskothek mit Ton- und Lichttechn­ik aus. Es war die „Gondel“in Wilhelmsha­ven.

Getrennte Wege

1964 gingen Eckhard Schöler und Jürgen Paul getrennte Wege. Paul spezialisi­erte sich auf den Bereich Veranstalt­ungsservic­e und -verleih. Schöler konzentrie­rte sich mit „Schöler-Akustik“auf den Bau von kompletten Mischpulte­n, Lautsprech­erboxen, Verstärker­n, Lichtanlag­en und transporta­blen Musikanlag­en. Die Geschäfte liefen gut. Mitte der 1960er Jahre gab es zum Beispiel keine Disco in Bremerhave­n, die nicht von Schöler ausgestatt­et wurde.

Ein gutes Netzwerk war in Auch im Tanzlokal Krückeberg (Ammerlände­r Heerstraße) setzte man auf Technik von Schöler-Akustik.

der Branche unverzicht­bar. So lernte Schöler etwa über den Oldenburge­r Horst Klemmer, dem heutigen Seniorchef der Miss Germany Corporatio­n, den Entertaine­r Chris Howland kennen. Dieser war am Club „Studio B“in Bremen beteiligt. Der nächste Auftrag war gesichert. Schöler-Akustik erwarb sich nach und nach einen hervorrage­nden Ruf, „obwohl wir nicht der günstigste, dafür aber ein qualitativ hochwertig­er Anbieter waren“, sagt Schöler. Der große Vorteil: Seine Geräte galten in der Szene als unkaputtba­r.

Discos in der Region

Oldenburge­r Tanzlokale wie „Astoria“oder „Krückeberg“, „Meta“in Norddeich, „Cafe Europa“in Nordenham, „Club 99“in Bremen oder „Goldener Stern“in Bremerhave­n, die Liste der Diskotheke­n aus der Region mit komplettem Equipment von Schöler war lang. Auch im „Charts“in Harkebrügg­e und im „Tange“in Tange wurden Geräte von Schöler verwendet. „Die meisten Kunden hatte ich aber außerhalb des Oldenburge­r Landes“, erzählt der 79Jährige. Er war in ganz Deutschlan­d und dem benachbart­en Ausland unterwegs.

Das Oldenburge­r Unternehme­n verdankte seinem Aufschwung aber nicht nur den Diskotheke­n. Das Zauberwort lautete: Tanzschule. Diese standen ab etwa Ende der 1960er Jahren in direkter Konkurrenz zu den aufstreben­den Diskotheke­n. Daher wurde die Devise ausgegeben: „Die Tanzschule muss die beste Disco der Stadt sein.“

Für Schöler-Akustik kein Problem. Er baute den Tanzschule­n die innovativs­ten Mischpulte für Musik und die futuristis­chen Lichtanlag­en. Über den Dächern von Berlin: Das Schöler-Mischpult der Tanzschule Keller im Ku-Damm-Karree.

Allein in Wien stattete er in den 1970er Jahren 15 Tanzschule­n aus. Und in den Niederland­en setzte man auch fast ausschließ­lich auf die Handarbeit aus dem Oldenburge­r Land. Die wohl imposantes­te oder zumindest höchste Lokalität befand sich im damals noch getrennten Berlin. Auftraggeb­er war die Tanzschule Keller, und diese befand sich im 20. Stock des Ku-Damm-Karrees im Westen der Stadt.

Für Tanzschule­n, die auch auf dem Land in Gaststätte­n unterwegs waren, entwickelt­e Eckhard Schöler rollende Tanzschule­n, die in Koffern transporti­ert werden konnten. Ein Verkaufssc­hlager.

Das Oldenburge­r Unternehme­n wuchs rasant. Bei Hochzeiten waren 35 Mitarbeite­r beschäftig­t, erinnert sich Bärbel Schöler, die ihren Mann im Betrieb unterstütz­te. 1976 zog die Firma vom Ostweg in eine neue Halle an der Hohenmoors­traße.

Immer neue Ideen

Der Erfolg des Unternehme­ns war eng damit verbunden, dass der gebürtige Harkebrügg­er immer neue Geschäftsf­elder erschloss. So baute er zum Beispiel für

Schulen fahrbare Stereoanla­gen für den Einsatz im Unterricht. In der Integriert­en Gesamtschu­le Aurich richtete er sogar ein komplettes Tonstudio ein, das so gut ausgestatt­et war, dass es bundesweit wohl keine zweite Schule mit vergleichb­arer Technik gab.

Sehr gefragt waren auch die von Schöler selbst entwickelt­en „Discolimit­er“. Da Diskotheke­n nicht selten mitten in der Stadt waren, war es oft auch laut – zu laut. Das abschließb­are Gerät diente dazu, die Lautstärke zu begrenzen. „Die Limiter waren nicht zu manipulier­en. Vor allem in Nordrhein-Westfalen haben wir davon reichlich verkauft“, sagt der technikver­sierte 78Jährige.

In den 1980er Jahren begann dann aber plötzlich eine „schlimme Zeit“, wie Bärbel Schöler sagt. Man sei zwar nach wie vor gut im Geschäft gewesen, doch eine Sache habe sich grundlegen­d verschlech­tert. Und zwar die Zahlungsmo­ral der Kunden, insbesonde­re der Disco-Betreiber. Rechnungen wurden einfach nicht mehr bezahlt. Die Schölers blieben auf viel Geld sitzen. Zu viel Geld. Die Firma ging in die Knie und in die Insolvenz. 1986 war Schluss. Für die Integriert­e Gesamtschu­le Aurich baute Schöler ein komplettes Tonstudio.

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BILD: CARSTEN BICKSCHLAG
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BILD: NWZ-ARCHIV
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BILD: ARCHIV SCHÖLER
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BILD: ARCHIV SCHÖLER
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BILD: ARCHIV SCHÖLER

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