WIE MÄCHTIG SIND GEHEIMBÜNDE WIRKLICH?
1ie Derüchte über Illuminaten und Freimaurer weiterleben
OLDENBURG – Sie ist die Mutter aller Verschwörungstheorien: Geheime Mächte steuern die Welt. Sie haben die Wirtschaft im Griff. Sie lenken die Regierungen. Oft wird davon ausgegangen, dass die Geheimniskrämer eine „Neue Weltordnung“anstreben – und für so ziemlich jede angebliche Verschwörung verantwortlich sind. Besonders beliebt in Verschwörungstheorien: die Illuminaten, die Freimaurer und die Teilnehmer der Bilderberg-Konferenz. Doch wie mächtig sind sie wirklich? Die Freimaurer
Die Freimaurer sehen sich selbst in der Tradition der Aufklärung. Ihre Grundideale sind Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit, Toleranz und Humanität – und das seit mehr als 300 Jahren. Die Geheimhaltung von dem, was in ihren Logen – also den kleinsten Organisationseinheiten – passiert, sorgt allerdings für wilde Verschwörungstheorien. So wird den Freimaurern unter anderem vorgeworfen, Regierungen zu unterwandern, Medien zu steuern, Kriege zu provozieren und nach der Weltherrschaft zu streben. „Von der Weltherrschaft sind die Freimaurer meilenweit entfernt“, sagt Hanspeter Teetzmann, „weil sie die überhaupt nicht anstreben.“Teetzmann muss es wissen, er ist Meister der Johannisloge „Zum Goldenen Hirsch“. Die Freimaurerloge existiert seit 1776 und ist nach eigenem Bekunden eine der ältesten kulturellen Einrichtungen Oldenburgs. Aber woher kommen die Gerüchte? „Im 18. Jahrhundert hat es eine ganze Menge Freimaurer gegeben, die wichtig waren“, sagt Teetzmann. „Zum Beispiel waren die meisten Gründungsväter der Vereinigten Staaten Logenbrüder.“Und die Liste einflussreicher Freimaurer aus den vergangenen Jahrhunderten ließe sich beliebig fortführen: Wolfgang Amadeus Mozart, dessen Oper „Die Zauberflöte“freimaurerische Ideale transportiert, der deutsche Demokrat und spätere US-Innenminister Carl Schurz, US-Präsident Gerald Ford, der Vater der modernen Türkei, Kemal Atatürk, Großbritanniens Ex-Premierminister Winston Churchill, Dichter-Ikone Johann Wolfgang von Goethe, Nobelpreisträger Carl von Ossietzky – nur um einige zu nennen. „Das ist heute anders“, sagt Teetzmann. Die Zahl der Freimaurer hierzulande beziffert er auf 14 000 bis 15 000. „Die Leute, die tatsächlich Einfluss in der Politik haben, die tummeln sich in den amerikanischen Service-Clubs.“Also Lions, Rotary, Round Table. Was die Freimaurer von solchen Clubs unterscheidet? „Dass wir nicht dieses Sendungsbewusstsein haben“, sagt Teetzmann. „Unser Ziel ist nur, dass wir an uns selbst arbeiten.“Das fehlende Sendungsbewusstsein – genauer gesagt: die ganze Geheimniskrämerei – ist aber auch ursächlich für all die Mythen. Im 18. Jahrhundert hatte sie durchaus ihre Berechtigung – schließlich waren die meisten Herrscher für aufklärerische Ideen nicht unbedingt empfänglich. Doch ist sie noch zeitgemäß? „Nein“, sagt Teetzmann. Und die Freimaurer halten sich auch gar nicht mehr so bedeckt wie einst. Anschriften von Logen finden sich in Telefonbüchern, sie bieten öffentliche Vorträge und Gesprächsabende an. Nur das, was Teetzmann die „Abläufe der freimaurerischen Arbeit“nennt, wird geheimgehalten. „Wobei das albern ist – das kann man schließlich alles im Internet nachlesen.“
Die Bilderberg-Konferenz
Sie ist ein Fest für Verschwörungstheoretiker: Die Bilderberg-Konferenz. Seit 1954 treffen sich Politiker, Wirtschaftsbosse, Wissenschaftler, Adelige, Journalisten und Militärs einmal im Jahr. Was dort drei Tage lang besprochen wird, ist nicht bekannt: Die Konferenz ist streng geheim. Immerhin gibt es die Teilnehmerliste im Internet. Protokolle oder Berichte gibt es hingegen nicht. Offiziell, damit die Teilnehmer der Konferenz frei und unbeschwert sprechen können. Das sorgt für die wildesten Theorien. Sehr beliebt: Die Bilderberger sind eine „geheime Weltregierung“oder wollen es werden. Ihnen werden politische Morde, Kriege und Finanzkrisen angelastet. Den Ölpreis bestimmen sie angeblich auch. Für Neonazis trifft sich auf der Konferenz jedes Jahr das Weltjudentum.
Rein privat kann dieses Treffen auf jeden Fall nicht sein – überbewerten sollte man es aber auch nicht. „Es gibt dieses eine, steuernde Zentrum weder in der Ökonomie noch in der Politik“, sagte der Historiker Bernd Greiner, Bereichsleiter am Hamburger Institut für Sozialforschung und Experte für den Kalten Krieg, vor der Bilderberg-Konferenz 2010 dem Deutschlandfunk (DLF). „Die Ratlosigkeit der Politik angesichts einer Krise wie in Griechenland oder die verminderten Interventionspotenziale spiegeln genau das Problem.“Die Uneinigkeit der Regierenden gilt Greiner also als Beweis für die Nichtexistenz einer „geheimen Weltregierung“.
Der entscheidende Anstoß für Verschwörungstheoretiker, diese „Weltregierung“in der jährlich an einem anderen Ort stattfindenden Konferenz zu vermuten – dürfte die Geheimhaltung sein. „Für Menschen, die ohnehin in diese Richtung marschieren, ist das ein dankbarer Nagel, an dem sie ihr Bild aufhängen können“, sagt Karl Hepfer, Philosophie-Privatdozent an der Uni Erfurt. Grundsätzlich seien wir alle darauf gepolt, zu vermuten, dass immer mehr im Hintergrund passieren könnte, wenn hinter verschlossenen Türen geklüngelt wird, als es uns offizielle Verlautbarungen glauben machen wollen. „Wir wissen schließlich alle, dass auch in demokratischen Gesellschaften gelogen wird“, sagt Hepfer.
Und es passiert mehr: Der Tübinger Amerikanistik-Professor Thomas W. Gijswijt hat zur Bilderberg-Konferenz geforscht. Er ist zu dem Schluss gekommen, dass die Konferenz durchaus einen gewissen Einfluss auf bestimmte Entscheidungen gehabt habe, beispielsweise auf die Entstehung der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft im Jahr 1957. Beschlüsse würden bei den Tagungen allerdings nicht gefasst. Gijswijt sagte im DLF, die Bilderberg-Konferenz habe vielmehr den Charakter eines „Schulausflugs für Erwachsene“, bei dem die Teilnehmer „in einem schönen Hotel ein Wochenende zusammen wichtige Sachen diskutieren und ein gutes Glas Wein trinken“. Es sei aber klar, dass es keine geheime Weltregierung gebe. „Wenn es die gäbe, wäre es eine sehr schlechte.“
Übrigens: Laut Historiker Gijswijt gibt es in den Niederlanden durchaus Bilderberg-Archive. Dort, genauer im „Hotel de Bilderberg“in Oosterbeek, fand das erste Treffen statt. „Alles, was älter als 50 Jahre ist, ist für jeden einzusehen. Die Verschwörungstheoretiker machen sich nicht die Mühe, dahin zu gehen.“Für die die Bilderberger gilt das Gleiche wie für alle Geheimbünde: Um die Mythen von einer geheimen Weltregierung zu entkräften, würde es helfen, für mehr Öffentlichkeit zu sorgen.
Die Illuminaten
Die Illuminaten sind für Verschwörungstheoretiker so etwas wie der Dachverband aller Geheimbünde und für so ziemlich alles verantwortlich: die Französische Revolution, Putsche, Kriege, Wirtschaftskrisen. Unter ihrer Kontrolle sind angeblich Regierungen, Medien, Konzerne. Die Illuminaten stehen also für die klassische Weltverschwörung. Und nicht selten haben Verschwörungstheorien rund um die Illuminaten antisemitische Anklänge. So wird der Geheimbund immer wieder mit der jüdischen Bankiers-Dynastie der Rothschilds in Verbindung gebracht, die selbst immer wieder Teil wilder Verschwörungstheorien und Hetzkampagnen war und ist.
Dabei begann alles mit hehren Zielen. Adam Weishaupt, Freimaurer und Professor an der Universität Ingolstadt, gründete 1776 den Illuminatenorden mit ehrenwerten Ideen: Aufklärung, Freiheit, Bildung. Die galten damals allerdings als wenig ehrenwert, und der Geheimorden wurde 1785 verboten. Gerüchteweise existierten die Illuminaten aber weiter – was bis heute die Verschwörungstheorien befeuert, der Geheimbund habe die politischen Strukturen unserer Welt unterwandert. Nach allem, was Historiker wissen, hatten sich die Illuminaten hingegen mit ihrem Verbot erledigt.
Aus heutiger Sicht war der Illuminatenorden ein Netzwerk, sagt Wissenschaftler Hepfer. „Und zwar eines für die Zukurzgekommenen.“Männer aus der zweiten Reihe, die sich benachteiligt fühlten, erhöhten demnach durch eine Mitgliedschaft im Geheimbund ihre Aufstiegschancen – als Gleiche unter Gleichen. Ohnehin waren im 18. Jahrhundert Geheimbünde ziemlich en vogue – neben Illuminaten und Freimaurern sind vor allem Gold- und Rosenkreuzer zu nennen.
Aber warum halten sich die Gerüchte über die weltumspannende Verschwörung der Illuminaten so hartnäckig? „Dazu hat maßgeblich die Literatur beigetragen“, sagt Hepfer. Denn die Illuminaten böten hervorragenden Thriller-Stoff. „Keiner weiß so genau, was die wirklich gemacht haben, es haben prominente Leute dazugehört, und sie hatten eine klare politische Stoßrichtung.“Die ideale Kulisse für Verschwörungstheorien – und für Dan Brown. Von seinem Roman „Illuminati“(2000) gibt es weltweit acht Millionen Exemplare, der gleichnamige Film von 2009 lockte Millionen Besucher in die Kinos. Mit der Historie nimmt es das Werk allerdings nicht allzu genau. Ähnlich wie die „Illuminatus!“-Romane von Robert Shea und Robert Anton Wilson (zwischen 1969 und 1971).
Übrigens: Das angebliche Illuminaten-Zeichen auf dem EinDollar-Schein der USA – die Pyramide mit dem „Auge der Vorsehung“– ist gar keines. Das Auge im Dreieck ist ein gängiges Symbol für die christliche Dreifaltigkeit.