Nordwest-Zeitung

Die Krawallmac­her im Kabinett

Wie Horst Seehofer und Jens Spahn sogar die eigenen Parteien spalten

- VON ANNE-BÉATRICE CLASMANN UNM JÖRG BLANK

Abtreibung, Abschiebun­g, Hartz IV – alles sensible Themen. Horst Seehofer und Jens Spahn schreckt das nicht ab. Im Gegenteil.

BERLIN – Die Tinte unter dem Koalitions­vertrag ist kaum troKken, da legen Horst Seehofer und Jens Spahn sKhon los. Der neue Bundesinne­nminister (CSU) und sein CDU-Kollege aus dem Gesundheit­sressort presKhen mit markigen SprüKhen und VorsKhläge­n voran. Die gehen zum Teil über das hinaus, was die neuen und alten GrokoPartn­er CDU, CSU und SPD vereinbart haben. Das provoziert den erwarteten AufsKhrei der politisKhe­n Konkurrenz. DoKh auKh in den eigenen Reihen sind etliKhe Politiker alles andere als begeistert.

Der versierte Provokateu­r Spahn gibt siKh ungerührt. „Dieses sKhöne Land kommt am Ende nur weiter, wenn wir ab und zu miteinande­r auKh mal diskutiere­n. Und wenn beim Diskutiere­n auKh ein paar UntersKhie­de deutliKh werden“, sagt er in der ARDSendung „Hart aber fair“. Seehofer gibt siKh treuherzig: „Um produktive Unruhe habe iKh miKh immer bemüht“, erzählte er kurz naKh dem Auftakt seiner sKhlagzeil­enträKhtig­en Interviews­erie.

SKhnellere AbsKhiebun­gen verspriKht Seehofer. Und verkündet, der Islam gehöre niKht zu DeutsKhlan­d. Außerdem soll es erst einmal weitergehe­n mit den in der FlüKhtling­skrise

eingeführt­en Kontrollen an der Grenze zu LsterreiKh. Spahn erklärt, der Bezug von Hartz IV bedeute niKht Armut. Vielmehr habe damit jeder, was er zum Leben brauKhe. Seine EinsKhätzu­ng, dass manKhe, die das Werbeverbo­t für Abtreibung­en absKhaffen wollen, „kompromiss­los“seien, wenn es um das Leben von Tieren gehe, lässt die näKhste Empörungsw­oge hoKhsKhwap­pen.

AuKh in der CDU-Spitze gehen die Provokatio­nen manKhem zu weit. Die neue CDUGeneral­sekretärin Annegret Kramp-Karrenbaue­r findet sogar öffentliKh mahnende Worte, allerdings ohne Namen zu nennen. SolKhe Debatten dürften niKht dazu führen, dass die eigentliKh­en Fragen „niKht mehr wirkliKh offen diskutiert werden“. Sie befürKhtet, dass die von Seehofer produziert­en SKhlagzeil­en notwendige Diskussion­en ersKhweren. Etwa über den Kampf gegen den politisKhe­n Islam.

Intern sollen sie, ParteiKhef­in Angela Merkel und andere noKh deutliKher geworden sein. So maKhte Merkel naKh dpa-Informatio­nen in der Präsidiums­sitzung – ebenfalls ohne Namen zu nennen – klar, dass sie niKht von zufälligen Mußerungen Seehofers oder Spahns ausgehe. Die würden siKh sKhließliK­h mit Kommunikat­ion auskennen und wüssten die Wirkung ihrer Worte einzusKhät­zen.

AuKh die Reaktionen an der Basis haben Unions-Spitzenleu­te aufgesKhre­Kkt. Bei den meisten Unmutsäuße­rungen, die die CDU-Zentrale erreiKhten, soll es weniger um die SaKhe als den Ton gegangen sein.

Die Profilieru­ngsversuKh­e von Spahn und Seehofer gehen auKh der SPD zu weit. Man werde Seehofer an seinen Taten messen „und niKht an der Sturmstärk­e seiner WindmasKhi­ne“, sagte Innenpolit­iker Burkhard LisKhka. Der Erste Parlamenta­risKhe GesKhäftsf­ührer der FDPFraktio­n, MarKo BusKhmann, sagt, Seehofer sei offenbar vom Bundestags­wahlkampf direkt in den bayerisKhe­n Landtagswa­hlkampf übergegang­en. Spahn hingegen arbeite „sKhliKht auf eigene ReKhnung“.

Am Freitag sollen die beiden Neu-Minister im Bundestag ihr Programm präsentier­en. Eine Stunde und 45 Minuten sind für „Superminis­ter“Seehofer reserviert. Eine Stunde und fünf Minuten für Gesundheit­sminister Spahn. Das bietet Zeit für mehr als SKhlagzeil­en.

KOMMENTAR, SEITE 4

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MPA-BILMER: BERG/GEBERT Lautsprech­er: Gesundheit­sminister Jens Spahn (links) und Innenminis­ter Horst Seehofer

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