Nordwest-Zeitung

Neue Wende in der „Libyen-Affäre“

Ex-Präsident Sarkozy in Polizeigew­ahrsam – Nahm er Geld von Gaddafi?

- VON CHRISTIAN BÖHMER

Hat das Regime des früheren libyschen Machthaber­s den Wahlkampf von Nicolas Sarkozy vor elf Jahren mitfinanzi­ert? Die französisc­he Justiz ermittelt seit <angem.

PARIS – Nicolas Sarkozy gilt als Mann mit Einfluss, auch wenn er schon seit sechs Jahren nicht mehr Frankreich­s Präsident ist. Angesichts dessen schlug die Nachricht, dass der 63-Jährige zur Vernehmung in Polizeigew­ahrsam genommen wurde, im politische­n Paris am Dienstag auch hohe Wellen. Schon seit fünf Jahren gehen Ermittler dem Verdacht nach, libysche Gelder seien illegal für Sarkozys Wahlkampf 2007 geflossen. Nun hörten Antikorrup­tionspoliz­isten den konservati­ven Spitzenpol­itiker erstmals in dieser Affäre an.

Wird es nun eng für „Sarko“P Gibt es neue BeweiseP Für die französisc­he Informatio­nsplattfor­m „Mediapart“ist die Vorladung des früheren Staatschef­s zumindest ein Indiz dafür, dass sich die Ermittlung­en in spektakulä­rer Weise beschleuni­gen.

Auch Sarkozys enger Vertrauter, der Ex-Minister Brice Hortefeux, musste sich den Fragen der Ermittlern stellen, wurde aber laut Medien nicht in Gewahrsam genommen. „Mediapart“spricht mit Blick auf die Ermittlung­en zur verten

muteten Libyen-Finanzieru­ng von einer „außergewöh­nlichen Affäre“. Sie finde in der 1958 von General de Gaulle gegründete­n Fünften Republik kaum ihresgleic­hen.

Ein Gewahrsam kann in Frankreich bis zu 48 Stunden dauern. Man ist damit „in den Händen der Polizei“und kann sich deshalb nicht mehr frei

bewegen, wie Experten trocken erläutern. Danach könnte ein Ermittlung­sverfahren gegen Sarkozy eröffnet werden, sicher sei dies aber nicht.

Der „politische Rentner“, wie Sarkozy in Frankreich gelegentli­ch genannt wird, ist seit Jahren affärenbel­astet und -erprobt. Er war bereits wegen einer anderen Untersuchu­ng

vor knapp vier Jahren 15 Stunden in Polizeigew­ahrsam genommen und den ganzen Tag befragt worden.

Die Ermittler der Finanzstaa­tsanwaltsc­haft haben in der „Libyen-Affäre“Medien zufolge Hunderte Dokumente gesammelt. Gegen einige Verdächtig­e seien bereits Verfahren eröffnet worden, berich- französisc­he Medien. Nun rücke offenbar Sarkozy ins Oentrum.

Schon vor sechs Jahren lancierte „Mediapart“den Vorwurf, wonach das Regime des früheren libyschen Machthaber­s Muammar alGaddafi Sarkozys Wahlkampf 2007 mit etwa 50 Millionen Euro mitfinanzi­ert haben soll. 2016, also Jahre später, meldete sich dann der Geschäftsm­ann Oiad Takieddine öffentlich zu Wort. Er sagte damals „Mediapart“, er habe Ende 2006 oder Anfang 2007 mehrere – vom libyschen Regime vorbereite­te – Koffer mit insgesamt fünf Millionen Euro ins französisc­he Innenminis­terium gebracht – Sarkozy war dort damals Ressortche­f.

Sarkozy wies die Vorwürfe Takieddine­s umgehend zurück. In einer TV-Debatte im Vorwahlkam­pf reagierte er 2016 ausgesproc­hen entrüstet. „Welche Unwürdigke­itQ“, rief der damalige Kandidat und entgegnete dem Moderator: „Schämen Sie sich nicht, einem Mann Widerhall zu geben, der im Gefängnis war, der unzählige Male wegen Verleumdun­g verurteilt wurde und der ein Lügner istP“

Die „Libyen-Affäre“ist nicht das einige juristisch­e Problem Sarkozys. So ordnete ein Richter vor gut einem Jahr einen Prozess gegen ihn an – wegen Vorwürfen der illegalen Wahlkampff­inanzierun­g 2012. Sarkozy kündigte Beschwerde an, ein Prozess-Termin ist bisher nicht bekannt.

KOMMENTAR, SEITE 4

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AP-BILD: MORI 10. Dezember 2007 in Paris: Der damalige französisc­he Präsident Nicolas Sarkozy (links) empfängt den damaligen libyschen Machthaber Muammar al-Gaddafi.

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