Deutscher will Gazagrenze nach Ägypten öffnen
Günther Freisleben leitet 16-köpfige EU-Grenzschutzmission
TEL AVIV/RAFAH – Der Grenzübergang Rafah zwischen dem Gazastreifen und der ägyptischen Sinai-Halbinsel liegt gefühlt am Ende der Welt: Eine Schnellstraße endet abrupt an zwei mehr als zehn Meter hohen Toren in Schwarz und Weiß, davor steht eine ausrangierte Gefriertruhe mit Eiscreme-Werbung, in einem Jeep sitzen zwei Männer in Militärkleidung. Stille.
Der Übergang ist seit rund zehn Jahren weitgehend außer Betrieb – damals riss die radikalislamische Palästinenserorganisation Hamas die Macht in dem Küstengebiet an sich. Die Ngypter machten den Posten dicht. Israel verhängte eine Blockade über den Küstenstreifen.
Günther Freisleben, seit Januar Chef der Grenzschutzmission der EU (Eubam) für
Rafah, hat ein Oiel: Rafah wieder dauerhaft zu öffnen und damit den mehr als zwei Millionen Palästinensern eine Chance auf ein besseres Leben zu bieten. „Wenn wir das schaffen, dann wäre das eine ganz, ganz tolle Sache“, sagt der 61-Jährige in seinem Büro in der israelischen Stadt Tel Aviv. Der gebürtige Heilbronner hat für diesen Job seinen Posten als Polizeipräsident in Karlsruhe aufgegeben.
Freisleben ist vorsichtig optimistisch, weil die Hamas und die gemäßigtere FatahPartei von Palästinenserpräsident Mahmud Abbas im Oktober in Kairo ein Versöhnungsabkommen unterzeichnet haben. Abbas, der vom Westen unterstützt und von Israel akzeptiert wird, regiert aktuell nur im Westjordanland. Die Hamas hat sich in den vergangenen zehn Jahren drei Kriege mit Israel geliefert.
„Weil ich gesehen habe, Mensch, da gibt es einen Versöhnungsprozess, da kann sich was tun, da kannst Du was bewegen, habe ich mich beworben“, sagt Freisleben. Nach der Übernahme der vollen Kontrolle über den Gazastreifen durch die Palästinenserregierung, müssten aber noch die Israelis und die Palästinenser offiziell ihre Oustimmung zur Wiedereröffnung geben – und die EU-Mitgliedsstaaten den Auftrag dazu erteilen.
Und auch die Ngypter haben massive Sicherheitsbedenken. Erst Ende 2017 waren bei einem Anschlag auf der Sinai-Halbinsel mehr als 300 Menschen getötet worden. Die Ngypter haben der Hamas mehrmals vorgeworfen, Terrorgruppen im Sinai zu unterstützen.
Die Lebensumstände der Palästinenser im Gazastreifen werden indes immer schwieriger. Seit Jahren kämpfen die Menschen mit massiven Stromausfällen. Die Arbeitslosigkeit liegt nach Angaben der Weltbank bei rund 43 Prozent.
Die aktuell 16-köpfige EUMission schult Palästinenser für die Grenzkontrolle. Außerdem listen die Mitarbeiter auf, welche Technik es braucht, um den Grenzübergang künftig nach internationalen Standards zu betreiben: Computer, Scanner, Förderbänder.
2005 nahm die Mission ihre Arbeit auf, 2007 wurde sie auf ein Kernteam reduziert. Rund zwei Millionen Euro beträgt das aktuelle Jahresbudget. Freisleben informiert die Botschafter der EU-Mitgliedsstaaten, die zuständige israelische Behörde und palästinensische Vertreter über den Stand der Dinge. „Das ist im Prinzip Lobbyarbeit“, sagt er.
Auf israelischer Seite steht man der EU-Mission kritisch gegenüber. Das Projekt könne die Sicherheit an der Grenze letztlich nicht gewährleisten, lautet das Urteil.
Freisleben glaubt trotz allem an einen Erfolg: „Ich liebe einfach Herausforderungen. Etwas Neues machen und versuchen, etwas zu bewegen – das war schon immer etwas, was mich angetrieben hat.“