Zukunft der Bibliothek
Experte Knoche wirft Blick in die Zukunft: Logistikzentrum der Information oder sozialer Ort?
Entwickeln sich die guten alten Bibliotheken in Zeiten der Digitalisierung künftig zu Logistikzentren der Information oder zu sozialen Orte? Über diese Fragen diskutierten Experten in der Landesbibliothek .
Die Experten vermissen ein politisches Bekenntnis. Derweil entdecken junge Menschen Bibliotheken neu.
OLDENBURG – Diese eine Frage blieb offen: Warum zeigt das Titelfoto des besprochenen Buches „Die Idee der Bibliothek und ihre Zukunft“zwar eine Ansicht des wunderbaren Rokokosaals der Herzogin Anna Amalia Bibliothek in Weimar, aber darin kein einziges Buch?
Dabei war deren ehemaliger Direktor Dr. Michael Knoche auf Einladung der Landesbibliothek Oldenburg und der Karl-Jaspers-Gesellschaft doch angetreten, stellvertretend die Verantwortung dieser schützenswerten Orte für die Verfügbarkeit des Wissens zu übernehmen und ins digitale Zeitalter zu begleiten.
Um im Bild zu bleiben, befinden sich die Verantwortlichen im Bibliothekswesen bei der Bewahrung der gedruckten Identität zwischen Baum und Borke. Im Expertengespräch mit Dr. Lothar Müller, Feuilleton-Redakteur der Süddeutschen Zeitung und Honorar-Professor an der Humboldt-Universität zu Berlin, ging es um die gegenwärtige Transformation des Bestands von der Vergangenheit in die Zukunft.
In der Rezeption wurde Bemerkenswertes beobachtet: „Auch junge Nutzer strömen in Scharen in die Lesesäle wissenschaftlicher Bibliotheken“, stellte Knoche fest. In Summe werde von den Einrichtungen bei Neuerwerbungen mehr Geld für digitale Medien ausgegeben als für gedruckte.
Dabei scheint die Aufgabe
in Zeiten zunehmender Digitalisierung immer unklarer zu werden: Ist nicht das Wichtigste schon im Netz verfügbar? Welche Funktion hat die Bibliothek dann noch – ist sie ein „Learning Center“? Oder ein Logistikzentrum der Information? Oder vor allem ein sozialer Ort? Liegt die Zukunft im Teilen und Tauschen?
Beispiel Energiebranche
Ein Komplementärverhältnis sei entstanden, kein Gegensatz. Hier verhalte es sich ein wenig wie beim Umbau der Energiekonzerne. Die Kernaufgabe bleibe bestehen, Mittel und Wege müssten angepasst werden.
Knoche warnte davor, Content, also Inhalt, ohne Kontext zu bewerten.
Einen intensiven Blick warfen die Experten auf die verloren gegangene Monopolstellung der Bibliotheken für den Zugang zum Wissen. Vorbei sind die Zeiten, als es in den Hochschulen noch Dozentenlesesäle gab. Die Entwicklung der Wissensgesellschaft bringt es mit sich, dass über das nicht mehr ganz so neue Medium Internet Informationen bis in den hintersten Winkel der Erde zugänglich sind und sich immer neue Wissensproduzenten in den globalen Diskurs einschalten können.
Bei den Hochschulbibliotheken, dem hierzulande gemessen
an seiner ökonomischen Bedeutung und seiner Relevanz für die kultur- und geisteswissenschaftliche Forschung wichtigsten Bibliothekstyp, kommen zwei spezifische Einflussfaktoren hinzu: die Herausbildung eines unternehmerischen Selbstverständnisses der Hochschulen und die zunehmende Bedeutung des digitalen Publizierens.
Keine politische Lobby
Auf politischer Ebene fehle die Lobby. „Kein Ministerium fühlt sich zuständig“, stellte Müller fest. Mit dem Hinweis auf die föderative Hoheit der Länder in Bildung und Wissenschaft
sowie einer Hochschulautonomie drohe den Einrichtungen gewissermaßen eine Wettbewerbsfalle. Hier könne eine strukturierte Arbeitsteilung der Bibliotheken untereinander in Sachoder Themengebieten Abhilfe schaffen ohne die Regionalität aufzugeben, so Knoche.
Um die Bibliotheken müsse sich allerdings niemand Sorgen machen, waren sich Knoche und Müller einig. Im Gegenteil werde der analoge Bestand durch Digitales noch machtvoller. Und dieser Schlusssatz hatte für die vielen Zuhörer in der Landesbibliothek etwas sehr Beruhigendes – trotz fehlender Bücher auf dem Buchcover.