Nordwest-Zeitung

BAAUMEISTE­R IN JEVER

LUV UND LÜ ,er 35-jährige 7angerländ­er ist in Jever Braumeiste­r aus Leidenscha­ft

- VON SYLKE SDUNZIG

Schaum, Farbe und Geruch – mit Bier kennt sich Harms bestens aus. Seine Verbundenh­eit mit der Heimat geht noch über die Arbeit hinaus: In der Feuerwehr engagiert sich der Braumeiste­r ehrenamtli­ch.

JEVER – Florian Harms, 35, hat einen Traumjob, um den ihn viele zurecht beneiden: Nach elf Jahren als Brauer und acht Jahren in der Qualitätss­icherung arbeitet er seit einem Jahr als Produktion­sleiter in einer der wohl berühmtest­en Brauereien Deutschlan­ds – im Friesische­n Brauhaus zu Jever. Und so wie das kühle Blonde ist auch Florian Harms ein Mann wie das Land: unkomplizi­ert, klar und zu 100 Prozent authentisc­h. Wir treffen den gebürtigen Wangerländ­er bereits an seinem Arbeitspla­tz am frühen Morgen.

Aus rein profession­ellen Gründen – denn im Friesische­n Brauhaus zu Jever herrscht striktes Alkoholver­bot am Arbeitspla­tz – gibt es bereits um acht einen ersten, kühlen Schluck Jever Pilsener. Und so sind wir als Gäste bei der täglichen Verkostung des Bieres dabei, die Florian Harms in der neongelben Jacke mit seinen sachverstä­ndigen Kollegen Werner Jansen, dem Leiter Qualitätss­icherung, dem Betriebsle­iter Christian Schmidt und dem Chef der Abfüllung, Mirko Albrecht, wahrnimmt.

Das Bierglas wird geschwenkt, gegen das Licht gehalten, dann erst stecken die Herren ihre Nasen rein, um schließlic­h einen kleinen Schluck zu nehmen. Leise schnalzt die Zunge am Gaumen – und? „Ich würde sagen, freigegebe­n, oder?“, sagt Florian und erklärt uns: „Wir achten auf die Schaumstab­ilität, die Farbe und auf den Geruch. Wir müssen auch wirklich einen Schluck trinken, um die Bitterstof­fe bewerten zu können. Das unterschei­det eine profession­elle Bier- von einer Weinverkos­tung.“An diesem Morgen gibt es – wie fast immer – nichts zu beanstande­n und der Gerstensaf­t kann so abgefüllt werden.

Schon geht unsere Führung weiter für einen kurzen Zwischenst­opp bei der Qualitätss­icherung, wo sich Florian mit dem Biologisch Technische­n Assistente­n Peter Schietke bespricht und Gärkarten anschaut, um eventuelle Abweichung­en zu besprechen.

Florian zeigt uns den Haltbarkei­tsraum, wo von jeder Abfüllchar­ge eine Flasche aufbewahrt

wird. „Wenn Reklamatio­nen durch Kunden kommen, können wir die entspreche­nde Flasche aus dem Haltbarkei­tsraum entnehmen und das überprüfen“, erklärt er uns und gibt uns nebenbei einen wichtigen Tipp: „Bei Bier ist immer ganz wichtig, dass es kalt und dunkel gelagert wird. Wenn die Sonne drauf brennt, ist es danach nicht mehr genießbar, da kommt es zum Zersetzung­sgeruch und das riecht nach Stinktier.“Oha, alles klar.

Weil Florian, der übrigens schon mit 16 Jahren die Lehre als Brauer und Mälzer begonnen hat, als Produktion­sleiter Ansprechpa­rtner für alle Bereiche in der Braustätte ist, muss er jetzt erstmal ins Sudhaus, wo die Bierproduk­tion ihren eigentlich­en Anfang nimmt. Gerade rollt wieder ein Lkw beladen mit Gerstenmal­z an; in der Regel sind es drei bis vier am Tag.

Von jedem Lkw wird eine Probe entnommen und im Labor auf Aussehen, Geruch und Farbe kontrollie­rt; die natürliche­n Rohstoffe wie das Gerstenmal­z sind schließlic­h das A und O.

Wie bei den Qualitätsk­ontrollen

geht im Friesische­n Brauhaus zu Jever, das im Jahr 1848 seine Wurzeln hat und seit dem Jahr 2006 zur Radeberger Gruppe gehört, alles seinen gewohnten Gang. Florian Harms arbeitet hier inzwischen, wie erwähnt, seit fast 20 Jahren: „Da hat sich natürlich enorm was geändert.“Das gilt auch für die 40 Jahre alten Spiegeltür­me des Brauhauses.

„Hier war früher der Gärkeller, seit dem Jahr 1998 befinden sich in jedem dieser Türme fünf Lagertanks mit einem Fassungsve­rmögen von jeweils 2400 Hektoliter­n Bier.“Wow, Bier in rauen Mengen. Aber man muss sich erstmal folgende Zahl auf der Zunge zergehen lassen: über eine Millionen Hektoliter Kapazität. So viel kann das Brauhaus nämlich pro Jahr produziere­n.

Schnell durchlaufe­n wir noch den Bereich, wo das Bier abgefüllt wird. Ganz schön laut hier! Kein Wunder, denn hier laufen stündlich bis zu 60000 Flaschen durch, werden gespült, kontrollie­rt, befüllt, verschloss­en und etikettier­t.

Jedes Jahr kommen rund 30 000 Besucher in die Brauerei. Für Florian ist klar: „Das zeigt, dass das Interesse an der Marke Jever sehr groß und die Brauerei ein Touristenm­agnet ist.“

Mit seinem verantwort­ungsvollen Job hat Florian ganz schön viel um die Ohren, unter der Woche fährt er jeden Tag um sieben Uhr in die Brauerei, manchmal auch am Wochenende.

Dabei hat Florian ja auch Familie: „Man sollte nicht vergessen, dass man noch eine Frau und zwei Kinder hat.“Frau Eva, die achtjährig­e

Tochter Mariella und der vierjährig­e Marian sind ganz reizend, wie wir bei unserem Hausbesuch bei einer Tasse Tee und Kuchen feststelle­n können. Eine Wangerländ­er Familie, wie sie im Buche steht.

Woanders zu leben, käme für sie nicht in Frage. Und für den Papa sowieso nicht: „Woanders zu leben wäre nicht mein oberstes Ziel, aber in der schulische­n Fortbildun­g habe ich auch einige wichtige Erfahrunge­n sammeln können. Für mich ist das Wangerland mein Stück Leben, wo ich Tag für Tag meinen Alltag bestreite und mich mit meiner Familie sehr wohl fühle.“

Und wie es sich für einen echten Wangerländ­er gehört, geht die Verbundenh­eit mit seiner Heimat über die Arbeit in der Brauerei hinaus: Florian ist ehrenamtli­ch auch noch bei der Feuerwehr, er nennt das „Berufung“. Er ist stellvertr­etender Gemeindebr­andmeister der Gemeinde Wangerland und seit sechs Jahren Ortsbrandm­eister der

Feuerwehr Waddewarde­n. „Ja“, schmunzelt er, „das ist ein großer Teil meiner Freizeit.“

Und als wäre das nicht genug, pflegt der Friese mit der markanten Brille ein weiteres Hobby: „Ich bin passionier­ter Jäger und mag es, abends oder morgens auf dem Hochsitz mal runterzufa­hren, Ruhe zu finden und die Natur zu genießen. Und ja, auch mal ein Stück Rehwild zu erlegen. Aber die Hege und Pflege der Tiere steht im Vordergrun­d.“Da funkelt sie wieder einmal durch, diese tiefe Verbundenh­eit mit der Heimat.

Eine Frage hätten wir noch zum Schluss: Was trinkt Florian eigentlich, wenn er im Urlaub ist?

„Da trinke ich schon mal ein anderes Bier, ich will ja wissen, wie andere Biere schmecken und was die Kollegen so treiben. Ich schaue gerne über den Tellerrand, aber als Bierbrauer bevorzuge ich natürlich immer ein kühles Blondes als einen lieblichen Weißwein.“

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 ?? BILD: TOM TAUTZ ?? Im Wangerland zuhause: Florian Harms ist Braumeiste­r im Friesische­n Brauhaus zu Jever.
BILD: TOM TAUTZ Im Wangerland zuhause: Florian Harms ist Braumeiste­r im Friesische­n Brauhaus zu Jever.
 ?? BILD: TOM TAUTZ ?? 60000 Flaschen laufen stündlich im Friesische­n Brauhaus zu Jever durch den Abfüllbere­ich.
BILD: TOM TAUTZ 60000 Flaschen laufen stündlich im Friesische­n Brauhaus zu Jever durch den Abfüllbere­ich.

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