Mit zähem Pappelholz zu silbrigem Klang
SEMBALOBAU Dietrich Hein fertigt die Replik eines historischen Cembalos für das Händel-Haus in Halle
1ut zwei Jahre hat der Oldenburger Instrumentenbauer an dem Cembalo gearbeitet. Die Auftraggeber haben mit dem Instrument Großes vor.
OLD*NBURG – Zwischen Hobelbank, mächtigen Sägen, Schraubzwingen und Feilen in unterschiedlichen Längen thront es mit seiner roten Marmorierung erhaben in der Werkstatt: das Cembalo. Während draußen am Stau die ersten Boote festmachen und die Handwerker die anderen Räume der Werkstatt renovieren, ist der Oldenburger Instrumentenbauer Dietrich Hein (54) beim Feinschliff für das Instrument angekommen.
Zwei Jahre lang hat er intensiv an der Fertigstellung des Zupfinstrumentes, das aussieht wie ein kleiner Flügel, gearbeitet. Es ist ein ganz besonderes Exemplar für den Oldenburger, der bereits seit 25 Jahren in seiner Werkstatt am Stau Cembali baut.
Das Instrument wird ab Mitte April im Händel-Haus in Halle stehen. Es ist die Replik eines historischen Exemplars aus dem Jahr 1599, das aufgrund seines Zustandes nicht mehr in Konzerten gespielt werden kann. Diese Lücke soll das Cembalo von Dietrich Hein schließen.
3embalo von Ruckers
Der feine, silbrige Klang wabert durch den Raum. Als Dietrich Hein die Taste für das „D“drückt, stockt die Melodie. Gekonnt zieht er den Springer heraus, den Holzstab mit der Gänsefeder daran, die die Seite anreißt. Mit prüfendem Blick begutachtet er ihn.
180 Stück hat er gefertigt. Ein Stück Birnenholz nach dem anderen hat er ausgesägt. Und jedes mit dem Teil einer Gänsefeder bestückt. Der Fehler ist schnell gefunden und behoben.
Die Idee, das RuckersCembalo aus dem HändelHaus in Halle nachbauen zu lassen, entstand bereits 1996. Zu dieser Zeit lud das Haus zu einem Symposium über die Cembalo-Bauer-Familie ein. Sie fertigte in drei Generationen zahlreiche Instrumente in der damals reichen Stadt Antwerpen. „Das war schon zur damaligen Zeit Cembalo-Bau auf ganz hohem Niveau. Die Instrumente hatten eine enorme Klangqualität“, weiß Hein.
Er, der sich zu dieser Zeit bereits seit 13 Jahren dem Cembalobau widmete, nahm
als Fachmann am Symposium teil. Der gelernte Cembalobauer konnte sich so sehr für diese Instrumente begeistern, dass er das Buch von Grant O’Brien, einer Koryphäe auf diesem Gebiet, für 400 DMark erstand, als es in den Handel kam. „Das war damals ganz schön viel Geld für mich“, erinnert er sich.
Die Investition hat sich offenbar gelohnt. In der Anfangszeit – ohne Internet – half es ihm bei der Recherche über Schwester-Instrumente. Mit den Informationen dieses Werkes, der Besichtigung des Originals und mit Hilfe der Restauratoren im HändelHaus hat er so viele historische Details wie möglich herausgefunden.
„Das Instrument wurde mehrmals verändert und dem damaligen Musikgeschmack angepasst“, berichtet Hein. Daher war es für ihn an einigen Stellen eine Herausforderung
zu entscheiden, ob er dichter an originalen Bauplänen bleibt oder dem Umbau folgt. Gleichzeitig musste er den Spagat zwischen Ausstellungsstück für das Museum und spielbarem Instrument für die Festspiele meistern.
Tasten aus Mooreiche
Das große Stück Holz, das die Schwingungen der Metallsaiten reflektiert, der Resonanzboden, ist das Herzstück, des Instrumentes. Es ist aus alpinem Fichtenholz. Der Baum ist in der Schweiz in 1200 bis 1600 Metern Höhe gewachsen. Das entspricht etwa dem Holz, das beim Original verwendet wurde, so Hein. Doch einen Unterschied gibt es: Forschungen haben ergeben, dass die Ruckers ihr Holz aus dem Schwarzwald den Rhein entlang nach Antwerpen geflößt haben. „Das Material habe ich nach bestem
Wissen und Gewissen so ausgesucht, wie es damals war“, sagt er.
Auf den Resonanzboden hat Hein alles aufgebaut. Denn erst wenn der Rahmen des Instrumentes steht, geht es an die Mechanik. Aus Rinderknochen hat er die weißen Tasten zugeschnitten. Die schwarzen Tasten bestehen, wie im Original, aus dem Holz einer Mooreiche.
Das Material für den Deckel ist sogar aus der Region. Das zähe Pappelholz eigne sich besonders gut. „Es macht zwar die Sägen und Hobel stumpf, aber es klingt gut“, sagt der Cembalobauer.
Im Gegensatz zum Originalinstrument im ursprünglichen Zustand hat Dietrich Hein wie im 18. Jahrhundert üblich deutlich mehr, aber etwas dünnere Saiten gespannt. Durch die veränderte Zugkraft, die darauf einwirkt, musste er das Cembalo ein
wenig in der Struktur anpassen.
Beim Äußeren hat Hein eine Ausnahme gemacht. Beim Marmorieren sei im Original sehr schlicht gearbeitet worden. Er legte mehr Wert auf Qualität. Die Kopie des originalen Deckelgemäldes sowie Resonanzbodenbemalung hat eine Malerin übernommen. Wenige spezielle Teile haben ihm bekannte Fachleute nach seinen Vorstellungen angefertigt.
Alles ist Mandarbeit
Das komplette Instrument ist Handarbeit und mit viel Liebe zum Detail gebaut. Der Wert dieses Instrumentes entspricht dem eines Mittelklasse-Autos.
Mitte April bringt der Oldenburger das Cembalo persönlich nach Halle. Einen Folgeauftrag hat Dietrich Hein auch schon. Eine bekannte deutsche Universität wünscht sich für ihren Kammermusiksaal ein repräsentatives Instrument, auf dem auch Konzerte gespielt werden sollen. Bis 2021 soll das Instrument spätestens fertig sein.
Sehen Sie ein Video und hören Sie den Klang des Cemablos unter www.nwzonline.de/videos