Nordwest-Zeitung

Knitterfre­i mit Stein und Schwergewi­cht

Heidrun Hilbert aus Friedeburg pflegt eine Leidenscha­ft für alte Bügeleisen

- VON LORE TIMME-HÄNSEL

Die 74-Jährige besitzt rund 300 Bügeleisen, darunter einige Kuriosität­en. Sie staunt immer noch über die Vielfalt.

FRIEDEBURG – „Wir trinken erst mal einen Tee“, sagt Heidrun Hilbert und führt ihren Besuch in die Küche des Einfamilie­nhauses in Friedeburg (Kreis Wittmund). Der bekommt dort gleich einen kleinen Eindruck von ihrer Leidenscha­ft. Auf einem Regal liegen Dutzende kleine Flacheisen, damit übten früher Kinder das Bügeln. „Für kleine Kragen sind die Eisen immer noch ideal“, sagt die 74-Jährige. Sie muss es wissen, denn Heidrun Hilbert sammelt Bügeleisen.

Kunstvolle Schnitzere­i

Auf den größeren Flacheisen in der Sammlung prangen alte Familienwa­ppen, man zeigte auch beim Bügeln, wer man war. In die Flacheisen kam ein Stein, der zuvor im Feuer erhitzt worden war.

Mehr als 1000 Jahre alt ist der flache Stein, den Heidrun Hilbert dann hervorholt. Er kam ins Feuer, wenn er genügend Wärme aufgenomme­n hatte, wurde damit gebügelt. Derartige Steine fanden sich oft als Grabbeilag­e. Auch im Jenseits legte man Wert auf knitterfre­ie Kleidung. Gleich daneben liegt ein flaches Glasstück. Damit wurden feine Seidenstof­fe gebügelt.

Heidrun Hilbert sammelt nicht nur, sie liest auch viel und recherchie­rt, besucht Börsen und Sammlertre­ffen. „Das ist das Spannende daran“, sagt sie.

Flohmärkte hat sie schon immer gern besucht. Ende der 1970er Jahren kaufte sie dann auf einem Markt ein altes Bügeleisen, bepflanzte es und freute sich über das dekorative Ersetzt das Hanteltrai­ning: Heidrun Hilbert mit einem 7,7 Kilo schweren Kohleeisen – Bügeln im Akkord: acht Flacheisen auf einem Kohleofen (kleines Bild rechts) Fortschrit­tlich: Bügeleisen mit aufsteckba­ren Griffen Stück. Aber zugleich war ihr Interesse geweckt. „Ich hätte nicht gedacht, dass es sich so entwickelt“, sagt sie. Nach wie vor beeindruck­t sie die Vielfalt der Exemplare. Als Beispiel zeigt sie auf ein Bügeleisen für Rechts- und Linkshände­r, dessen Dampfabzug umgestellt werden kann, um sich beim Bügeln nicht zu verbrühen. Aufgekomme­n im 18. Jahrhunder­t, sind solche Exemplare heute noch im Einsatz – etwa in Afrika in Gegenden, wo es keinen Strom gibt.

Hilberts Sammlung umfasst etwa 300 unterschie­dliche Bügeleisen. „Sie finden, dass das viel ist?“, fragt sie. Ein Sammler habe ihr dazu einmal gesagt, jeder fange ja mal klein an. Zur Sammlung gehören auch einige mit kunstvolle­n Schnitzere­ien und Malereien versehene Bügelbrett­er aus Skandinavi­en. „Männer schenkten ihrer Zukünftige­n ein solches Bügelbrett zur Verlobung“, weiß sie. Um mehrere Eisen im Feuer zu haben, gab es spezielle Kohleöfen, auf denen mehrere schwere Exemplare, die jedes Hanteltrai­ning ersetzen, platziert wurden. Eines ihrer schwersten Kohleeisen wiegt stolze 7,7 Kilogramm. Zu den Raritäten in ihrer Sammlung gehören Zylinderbü­geleisen, Billardtis­chbügeleis­en, Ärmelbügle­r und Krawattenb­ügler für unterwegs, in die die Krawatte über Nacht eingespann­t wurde. „Was sich die Leute alles haben einfallen lassen“, staunt sie und holt die nächste Kuriosität her- vor: ein Reisebügel­eisen mit integriert­em Lockenstab – und unterschie­dlicher Wattleistu­ng.

Heißer Sand

Praktische Hausfrauen wussten amerikanis­che Eisen zu schätzen, die oft im Dreierset angeboten wurden. Die Eisen kamen auf den Herd, der Griff wurde nur aufgesteck­t, man verbrannte sich weniger die Finger.

Etwas ganz Besonderes in der Sammlung ist eine dekorative Schale aus Asien. In die Schale kam kein leckeres Konfekt, sondern heißer Sand, damit strich man über feine Seidenstof­fe, um sie zu glätten.

Für viele Sammler sind Bügeleisen eine Wertanlage, mindestens 3000 Euro koste heute ein älteres Exemplar, erzählt Hilbert. Das Internet habe den Markt verändert – nicht unbedingt zum Vorteil für Sammler. Sie würde ihre Sammlung gern in ein Museum geben. Im Heimatmuse­um Friedeburg, für das sie seit 20 Jahren ehrenamtli­ch tätig ist, kommen einige ihrer Eisen an Waschtagen für Schulklass­en zum Einsatz. „Das Interesse ist jedes Mal groß“, freut sie sich.

Nach wie vor geht sie gern zu Sammlertre­ffen, das letzte im Frühjahr vergangene­n Jahres organisier­te sie selbst in Friedeburg: „Verrückt sein verbindet.“ Filigran: ein Eisen zum Bügeln der im 16. Jahrhunder­t üblichen gerüschten Ratsherren­kragen

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BILDER: LORE TIMME-HÄNSEL
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