SFB-Elf erwartet ein „neues“Brasilien
Deutschland tritt gegen Rekordweltmeister zum nächsten Härtetest auf dem Weg zur WM an
Löw bezeichnete das 7:1 im WM-Halbfinale gegen Brasilien als „Jahrhundert-Thema“. In Berlin wird er in der Startformation rotieren.
BERLIN – Joachim Löw verarbeitet noch die Erkenntnisse aus einer „schwindelerregenden Fußball-Nacht“, da stellt sich ihm der nächste WM-Favorit in den Weg – und das voller Rachedurst. Doch vor dem Spiel gegen das „neue“Brasilien an diesem Dienstag (20.45 Uhr/ZDF) hat der Bundestrainer seine ersten Weltmeister nach Hause geschickt, von einer ernsthaften Revanche kann keine Rede sein. Das demütigende 7:1 von Belo Horizonte im WM-Halbfinale 2014 ist vor dem ersten Wiedersehen der Giganten selbstverständlich dennoch allgegenwärtig.
„Dieses Spiel ist ein Thema für die nächsten 10, 20, 30 Jahre. Das ist ein JahrhundertThema“, betonte Löw, und er berichtete fast schwärmerisch: „Selbst ich schaue mir manchmal noch die Tore an. Wenn man im WM-Halbfinale gegen den Gastgeber 7:1 gewinnt, bleibt das in Erinnerung.“
Doch auch das faszinierende Spiel vom Freitag gegen Spanien in Düsseldorf wird Löw nicht so schnell vergessen. Zu stark und „wichtig“waren für ihn die Erkenntnisse aus einem 1:1 (1:1) zweier
Mannschaften, die sich auf allerhöchstem Niveau duellierten. Nach dem phasenweise allerdings auch frustrierenden Härtetest gegen die brillante spanische Passmaschine kamen die größten Kritiker aus den eigenen Reihen.
„Alles“sei anfangs schlecht gewesen, motzte Jerome Boateng, „das Pressing hat nicht geklappt, so eine Mannschaft spielt dann mit dir Katz und Maus“. Das war nur der erste Punkt seiner langen Liste der weltmeisterlichen Unzulänglichkeiten. „Wir wollten besser hinten rausspielen, eine bessere Aufteilung hinbekommen“, sagte Boateng und zählte auf: „Chancenverwertung, Passspiel, das Umschalten.“
Löw jedoch zwinkerte gelassen: Genau das habe er ja testen wollen, und er hatte geahnt, dass er seine Spieler (noch) mit stumpfer Klinge in den Kampf schickt. „Wir wollten den einen oder anderen Fehler aufgezeigt bekommen, das ist okay“, erklärte er.
Seine Spieler durften die Erkenntnis, dass der Weg zur erfolgreichen Titelverteidigung enorm steinig wird, zumindest am Samstag sacken lassen. Löw gab frei, erst am Sonntagnachmittag rief er seine 23 von ursprünglich 26 Männern wieder zusammen. Thomas Müller, Schütze eines Traumtores gegen Spanien, und Mesut Özil erhalten eine Ruhepause. Emre Can (Rückenbeschwerden) reiste
nach Liverpool ab.
Nun also: Brasilien. Es fällt schwer, nicht alles auf dieses ungeheure, wundersame 7:1 zu reduzieren, das Ilkay Gündogan damals im BVB-Trainingslager „ungläubig vor dem Fernseher“verfolgte. Doch: „Brasilien hat seitdem eine Entwicklung genommen, die ihresgleichen sucht, sie sind nicht mehr vergleichbar mit dem Team damals.“
Löw wird es mit Freude gehört haben. Auch er warnt vor einer Selecao, die selbst ohne den verletzten Weltstar Neymar Weltklasse verkörpere. „Da kommt ein ganz anderes Kaliber als 2014“, sagte er, und, mit Bezug auch auf Spanien: „Das sind die Mannschaften, die bei der WM eine
entscheidende Rolle spielen wollen – und auch können.“Dennoch wird er durchwechseln. „Ich plane, dass Marvin Plattenhardt in Berlin spielt“, sagte Löw, „zudem denke ich, dass Ilkay von Anfang an spielen wird, Leroy Sane auch. Drei Wechsel habe ich auf jeden Fall.“Hinzu kommen die von Müller und Özil.
In Brasilien ist das „Sete a um“(portugiesisch für sieben zu eins) zum geflügelten Wort für eine krachende Niederlage geworden. „So lange es kein neues Duell mit Deutschland gibt, werden die Sticheleien anhalten“, vermutet Nationaltrainer Tite. Er irrt womöglich – ein noch so klarer Sieg in einem Test würde dafür kaum ausreichen.