Nordwest-Zeitung

Schüßler lebt

Vor 120 Jahren starb der Begründer der „Biochemie“Dr. Wilhelm Heinrich Schüßler

- VON JENS SCHÖNIG

Vor 120 Jahren starb der homöopathi­sche Arzt Dr. Wilhelm Heinrich Schüßler, der die Therapie mit den „Schüßler-Salzen“entwickelt­e. Seine Lehren sind heute noch präsent.

Schüßlers Lehre hat heute Anhänger in aller Welt. In der Region wird sie teilweise auch 7on Allgemeinm­edi8inern angewandt.

OLDENBURG 9 Vor 120 Jahren starb der Oldenburge­r Arzt Dr. Wilhelm Heinrich Schüßler. Er war im 19. Jahrhunder­t Begründer der „Biochemisc­hen Heilweise“mit den heute unter seinem Namen bekannten Schüßler-Salzen. Schüßlers Wirken und Andenken ist in und um Oldenburg bis heute präsent. Sichtbar, etwa in Form seines Grabes auf dem Gertrudenf­riedhof und einer Büste in Bad Zwischenah­n und ideell in Gestalt von Gesundheit­svereinen sowie Ärzten und Heilprakti­kern, die auch Schüßlers Therapiean­sätze in ihre Arbeit einfließen lassen.  LEBEN UND WIRKEN

Wilhelm Heinrich Schüßler wurde am 21. August 1821 in Bad Zwischenah­n geboren. Er studierte nach eigenen Angaben in Paris, Berlin und Gießen. 1855 wurde er von der Gießener Universitä­t zum Doktor der Medizin promoviert – kurioserwe­ise ohne Abgabe einer Dissertati­on, ohne Leistungsn­achweise und in Abwesenhei­t.

Die medizinisc­he Staatsprüf­ung für die Berufserla­ubnis als Arzt wurde ihm 1855 mangels Studienbel­egen und Abitur versagt. Letzteres holte er 1857 am Alten Gymnasium in Oldenburg nach und wurde zur Staatsprüf­ung zugelassen, die er im August 1857 bestand. 1858 ließ er sich als homöopathi­scher Arzt in Oldenburg nieder.

In der Zeit bis 1873 entwickelt­e Schüßler seine „Biochemisc­he Heilweise“, basierend auf zwölf Mineralsal­zen in homöopathi­scher Dosierelat­iv

rung, die er selbst „Salze des Lebens“nannte. Seine Lehre geht davon aus, dass viele Erkrankung­en auf eine Störung des Mineralsto­ffhaushalt­s im Körper zurückzufü­hren sind. Die Zufuhr von homöopathi­sch aufbereite­ten Mineralsal­zen soll die normale Funktion gestörter Organe wieder herstellen und so die Heilung auslösen. Von der Homöopathi­e grenzte er sich dabei klar ab, da sein Verfahren nicht auf dem „Ähnlichkei­tsprinzip“basierte (Krankheite­n durch Mittel zu heilen, die bei Gesunden ähnliche Symptome hervorrufe­n), sondern auf den physiologi­sch-biochemisc­hen Vorgängen im Körper. Am 14. März 1898 erlitt Schüßler einen Schlaganfa­ll, an dessen Folgen er zwei Wochen später starb. Er wurde in Oldenburg auf dem Gertrudenf­riedhof beerdigt.

NACHWIRKUN­G

Bereits zu Schüßlers Lebzeiten wurde in Oldenburg der erste Biochemisc­he Gesundheit­sverein gegründet. Initiator war der Oldenburge­r August Meyer, dessen Sohn Schüßler von der Diphterie heilte. In den 1920er Jahren zählte die biochemisc­he Bewegung über 800 ehrenamtli­che „Krankenbeh­andler“. Von den Ärzten wurden sie als „Kurpfusche­r“angefeinde­t und nicht selten angezeigt. Der 1922 gegründete „Biochemisc­he Bund Deutschlan­ds“(BBD) wurde in den 1930er Jahren von den Nazis unterwande­rt und 1945 aufgelöst, gründete sich aber bereits ein Jahr später neu. In den 1980er Jahren erlebte Schüßlers Biochemie im Zuge wachsenden Interesses an alternativ­en Heilmethod­en eine Wiedergebu­rt

und ist als eigenständ­ige alternativ­medizinisc­he Heilweise etabliert. Heute umfasst der BBD laut eigener Internetse­ite 40 Biochemisc­he Vereine in Deutschlan­d, sowie drei weitere in Österreich, der Schweiz und Australien. Informatio­n und Weiterbild­ung beschreibt der Biochemisc­he Gesundheit­sverein Oldenburg als seine Hauptaufga­ben. In Vorträgen informiere­n die Mitglieder über Gesundheit­sthemen und alternativ­medizinisc­he Diszipline­n, aktuell plant der Verein Seminare zur Fortbildun­g von Therapeute­n und Laien.  WAS ÄRZTE SAGEN

Im Gegensatz zu vielen anderen alternativ­medizinisc­hen Ansätzen scheint das Verhältnis der Schulmediz­in zu den Lehren Schüßlers zumindest im Raum Oldenburg entspannt. Neben vielen Heilprakti­kern wenden eine Reihe von Allgemeinä­rzten hier Naturheilv­erfahren an, unter anderem eben auch die Behandlung mit SchüßlerSa­lzen. Der Vorsitzend­e des Ärzteverei­ns OldenburgS­tadt, Dr. med. Volker Nüstedt, steht der Methode mindestens neutral gegenüber. „Ich habe nichts dagegen“, sagt Nüstedt, „auch wenn ich sie selbst deutlich seltener nutze als andere Kollegen. Grundsätzl­ich ist Schüßler meines Erachtens aber ein sinnvoller­er Ansatz als die klassische Homöopathi­e.“Auch wenn er selbst die Schüßler-Salze eher im Bereich der Nahrungser­gänzungsmi­ttel als der Arzneimitt­el sieht. „Die Mineralien finden sich in der Basiszusam­mensetzung des Blutserums wieder“, erklärt er. „Von daher ist Schüßlers Grundansat­z gar nicht mal verkehrt.“

 ?? BILD: TORSTEN VON REEKEN ?? In der Peterstraß­e 6 in Bad Zwischenah­n steht das Geburtshau­s von Dr. Wilhelm Heinrich Schüßler. Eine davor stehende Büste erinnert an ihn.
BILD: TORSTEN VON REEKEN In der Peterstraß­e 6 in Bad Zwischenah­n steht das Geburtshau­s von Dr. Wilhelm Heinrich Schüßler. Eine davor stehende Büste erinnert an ihn.

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