Die Fünf-Leben-Gesellschaft
Auch auf Hochbetagte warten Aufgaben, meinen Zukunftsforscher
HAMBURG – Wir leben immer länger, aber was wollen wir mit dem Gewinn an Lebenszeit anfangen? Dieser Frage gehen der Hamburger Zukunftsforscher Horst W. Opaschowski und sein österreichischer Kollege Peter Zellmann in ihrem neuen Buch „Du hast fünf Leben“nach. Wichtigste Botschaft: Es geht immer wieder weiter, wenn nicht nur materiell, sondern auch körperlich, geistig und sozial vorgesorgt wird. „In einer Du-hast-fünf-LebenGesellschaft wird jedes Lebensalter zum Start-up für ein Leben mit immer neuen Anfängen und Aufgaben ohne Ende“, erklärt Opaschowski.
Zu den Herausforderungen und Prioritäten in jeder Lebensphase haben die Autoren repräsentative Umfragen in Deutschland und sterreich ausgewertet. Demnach stehen für die Deutschen insgesamt Gesundheit und Fitness (73 Prozent), Familie und Kinder (3) sowie Freunde und Nachbarn (9) ganz oben. Geringere Bedeutung haben Beruf und Ausbildung (4), Konsum und Medien (40), Freizeit und Urlaub (39). Die sterreicher antworteten ganz ähnlich. Nur Freunde und Nachbarn hätten einen höheren Stellenwert (70), KonsumLMedien dagegen einen geringeren (3).
Mit dem Alter der Befragten wandelten sich die Prioritäten: Die unter 20-Jährigen, die sogenannte Generation „Zukunft“, legen überdurchschnittlichen Wert auf Medien und Kommunikation. Die Angehörigen der Ü20-Generation sind für Opaschowski und Zellmann die „Lebensplaner“. Für sie zählen Arbeiten, Wohnen und moderne Mobilitätsangebote.
Die „Best-Ager“ab 40 nehmen sich die Zeit zum Leben, wollen Urlaube genießen. Beruflich haben es die Menschen in dieser Lebensphase geschafft oder sich arrangiert. „Die mittlere Generation ist die, die am besten lebt“, sagt Opaschowski. Die 0plus-Generation besteht aus den „Lebenserfahrenen“. Priorität hat für sie die Pflege der Generationenbeziehungen und der Zusammenhalt von Jung bis Alt. Die über 80-Jährigen gelten den Autoren als „Beziehungsförderer“. Die Hochbetagten entdeckten den Wert der Familie, weil sie am meisten auf Unterstützung angewiesen seien.
Die Begriffe „Jugend“und „Alter“lösen sich nach Ansicht der Autoren immer mehr auf. Die klassische Dreiteilung des Lebens in Ausbildung, Beruf, Ruhestand habe sich überholt. 40 oder mehr Be- rufsjahre würden normal, Partnerbeziehungen auf eine harte Probe gestellt werden. „Den Beruf, den Bund und die Freunde fürs Leben wird es bald nicht mehr geben“, sagt Opaschowski voraus.
Jede Lebensstufe sollte „blühen“, zitieren die Autoren Hermann Hesse. Dafür müsse man sich immer wieder eine neue Herausforderung suchen. Das könne ein Job, ein Ehrenamt oder das Erreichen eigener Gesundheitsziele sein. „Die Altersgrenze können Sie vergessen“, sagt Opaschowski.
Die Forscher erkennen aber an, dass es besonders für die über 80-Jährigen schwieriger wird, das Leben bewusst und intensiv zu leben. . Opaschowski, selbst 77 Jahre alt, und Zellmann (70) raten zur Flucht nach vorn: „Körperlich und geistig beweglich bleiben und alles tun, um die Generationenbeziehungen zu fördern, die ,Großfamilie zusammenzuhalten, und möglichst allen durch Ruhe, Ausgeglichenheit und Weisheit ein Vorbild zu sein.“
Horst Opaschowski; Peter Zellmann: „Du hast fünf Leben!“, Manz Verlag, 178 Seiten, 21,90 Euro.