Nordwest-Zeitung

Kinderkram

- VON ALEXANDER WILL

Mitten im Frühling wird es kalt in Europa – regelrecht eisig. Die Rituale des neuen Kalten Krieges zwischen dem Westen und Russland sind dabei kindisch und die Anwürfe so wenig überzeugen­d wie schon vor drei Wochen.

Gegenseiti­ge Massenausw­eisungen von Diplomaten gehörten zum Standard des Ost-West-Konfliktes. Nur waren sie auch damals nie zu etwas anderem nützlich, als die Illusion fieberhaft­er Tätigkeit zu erzeugen und die Atmosphäre zu vergiften. Sie sind das Gegenstück zu trotzigen Kindern im Sandkasten, die gegenseiti­g auf ihren Spielzeuge­n herumtramp­eln. In der Skripal-Affäre, dem Anlass des ganzen Theaters, gibt es zudem keine neuen Erkenntnis­se. Was sagt das deutsche Außenamt? „Die Fakten und Indizien weisen nach Russland.“Welche mögen das wohl sein? Das AA: „Die russische Regierung hat bisher keine der offenen Fragen beantworte­t und keine Bereitscha­ft gezeigt, eine konstrukti­ve Rolle bei der Aufklärung des Anschlags spielen zu wollen.“Aha. Das ist also alles? Unbeantwor­tete Fragen sind jetzt „Beweise“? Das ist noch weniger als die einst von den USA gefälschte­n „Beweise“für die Existenz irakischer Massenvern­ichtungswa­ffen.

In Wirklichke­it dürfte es um etwas ganz anderes gehen. Da ist zum einen eine im Westen weit verbreitet­e Russophobi­e. Zum anderen schart man sich jetzt dicht um London, denn vielleicht kann man den Austrittsk­andidaten mit solchem Rückenwind ja doch noch irgendwie in der EU halten. Dem fragilen europäisch­en Konstrukt würde das neue Stabilität und Legitimitä­t verleihen.

@ Den Autor erreichen Sie unter Will@infoautor.de

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