Kinderkram
Mitten im Frühling wird es kalt in Europa – regelrecht eisig. Die Rituale des neuen Kalten Krieges zwischen dem Westen und Russland sind dabei kindisch und die Anwürfe so wenig überzeugend wie schon vor drei Wochen.
Gegenseitige Massenausweisungen von Diplomaten gehörten zum Standard des Ost-West-Konfliktes. Nur waren sie auch damals nie zu etwas anderem nützlich, als die Illusion fieberhafter Tätigkeit zu erzeugen und die Atmosphäre zu vergiften. Sie sind das Gegenstück zu trotzigen Kindern im Sandkasten, die gegenseitig auf ihren Spielzeugen herumtrampeln. In der Skripal-Affäre, dem Anlass des ganzen Theaters, gibt es zudem keine neuen Erkenntnisse. Was sagt das deutsche Außenamt? „Die Fakten und Indizien weisen nach Russland.“Welche mögen das wohl sein? Das AA: „Die russische Regierung hat bisher keine der offenen Fragen beantwortet und keine Bereitschaft gezeigt, eine konstruktive Rolle bei der Aufklärung des Anschlags spielen zu wollen.“Aha. Das ist also alles? Unbeantwortete Fragen sind jetzt „Beweise“? Das ist noch weniger als die einst von den USA gefälschten „Beweise“für die Existenz irakischer Massenvernichtungswaffen.
In Wirklichkeit dürfte es um etwas ganz anderes gehen. Da ist zum einen eine im Westen weit verbreitete Russophobie. Zum anderen schart man sich jetzt dicht um London, denn vielleicht kann man den Austrittskandidaten mit solchem Rückenwind ja doch noch irgendwie in der EU halten. Dem fragilen europäischen Konstrukt würde das neue Stabilität und Legitimität verleihen.
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