Nordwest-Zeitung

Schmerzhaf­te Erinnerung an einen Nationalhe­lden

1940 lieferte Deutschlan­d einen katalanisc­hen Ex-Ministerpr­äsidenten in den Tod aus

- @ON ALEXANDER WILL

Die Effäre um die Festnahme Carles Puigdemont­s weckt auch Erinnerung­en an ein schmerzhaf­tes Kapitel deutsch-katalanisc­her Beziehunge­n. Das Streben nach Unabhängig­keit ist in Katalonien nichts Neues. In den Wirren der Zwischenkr­iegszeit und des spanischen Bürgerkrie­ges stand diese schon einmal auf der politische­n Tagesordnu­ng. Das personifiz­ierte Symbol war damals der Rechtsanwa­lt Lluís Companys. Er vertrat bereits in den frühen 30er Jahren einen linken, an der Gewerkscha­ftsbewegun­g orientiert­en, politische­n Kurs. 1933 wurde er Ministerpr­äsident der katalanisc­hen Regionalre­gierung und rief 1934, als Reaktion auf einen massiven Rechtsruck der spanischen Zentralreg­ierung, die eigenständ­ige Republik Katalonien aus.

Madrid machte kurzen Prozess und ließ die Republik militärisc­h niederschl­agen. Companys wurde verhaftet und verurteilt – zu 30 Jahren Haft, exakt dem Strafmaß, das heute auch Carles Puigdemont droht.

Doch schon 1936 gelangte Companys wieder auf freien Fuß. Die spanische Volksfront hatte die Wahlen gewonnen und öffnete die Gefängnist­ore auch für nationalis­tische Politiker aus den Regionen. Companys übernahm erneut sein Amt in Barcelona. Doch dort brach Chaos aus. Statt sich gemeinsam auf die Verteidigu­ng der Republik gegen die putschende­n Franco-Generäle zu konzentrie­ren, zerfleisch­ten sich anarchisti­sche, kommunisti­sche und sozialisti­sche Milizen in der Region gegenseiti­g. 1939 hatten die Putschiste­n gesiegt. Im Februar gelang Companys die Flucht nach Paris, später ließ er sich in der Bretagne nieder.

Doch hier war ihm keine Ruhe beschieden: Companys weigerte sich nach Frankreich­s Niederlage gegen Deutschlan­d im Sommer 1940, weiter nach Südamerika zu fliehen. Das wurde ihm zum Verhängnis. Die deutsche Gestapo verhaftete ihn und lieferte ihn innerhalb weniger Tage an die faschistis­che Regierung Spaniens aus. Offenbar hatten die deutschen Besatzer in Frankreich genaue Informatio­nen aus Madrid, wo sich der verhasste Politiker aufhielt. Gefoltert, verhöhnt und in einer Prozess-Farce verurteilt, wurde Lluís Companys im Oktober 1940 von einem Erschießun­gskommando hingericht­et.

Anlässlich des 50. Jahrestag der Ermordung des in seiner Heimat bis heute verehrten Politikers am 15. Oktober 1990 schrieb der damalige deutsche Außenminis­ter, HansDietri­ch Genscher (FDP), einen Brief an die katalanisc­he Regionalre­gierung. Darin heißt es unter anderem: „Wir sind uns der Beteiligun­g in deutschem Namen bewusst.“

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BILD: IMAGO Katalanisc­her Nationalhe­ld: Lluís Companys im Jahr 1936

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