Nordwest-Zeitung

Prozess soll Osmanen-Rocker stoppen

Mutmaßlich­e Anführer der türkisch-nationalis­tischen Straßen4an­4 stehen vor Gericht

- VON ROLAND BÖHM

Hunderte Polizisten sind im Einsatz, Hubschraub­er kreisen über dem Justiz4ebä­ude. Die Staatsanwa­ltschaft spricht zum Auftakt von einer Bedrohun4s­la4e.

STUTTGART – Unter starken Sicherheit­svorkehrun­gen hat im Gerichtssa­al am Gefängnis Stuttgart-Stammheim ein Prozess gegen die mutmaßlich­en Anführer der türkischna­tionalisti­schen Straßengan­g „Osmanen Germania BC“begonnen. Verantwort­en müssen sich seit Montag acht Männer: fünf Türken und drei Deutsche im Alter von 19 bis 46 Jahren, darunter der selbst ernannte „Weltpräsid­ent“der rockerähnl­ichen Gang und sein Vize. Ihnen wird eine Vielzahl von Gewalt- und anderen Delikten vorgehalte­n, mit denen vor allem die innere Ordnung der „Osmanen“aufrecht erhalten werden sollte. Laut Anklage wurde ein Abtrünnige­r fast getötet. Gut 50 Verhandlun­gstage sind angesetzt.

Um das Gefängnis in Stammheim sind Straßenkon­trollen aufgebaut, Hunderte Polizisten sind im Einsatz, Hubschraub­er kreisen über dem Justizgebä­ude. Strikte Kontrollen der gut 120 Zuschauer verzögern den Prozesssta­rt um zwei Stunden. Grüppchenw­eise werden meist komplett schwarz gekleidete Anhänger der Angeklagte­n unter Polizeisch­utz durch den Ort geführt.

Es gebe eine Bedrohungs­lage, sagte Jan Holzner, Sprecher der Staatsanwa­ltschaft Stuttgart, ohne Details nennen zu dürfen. Im Saal wird auf die Verlesung der Adresse des „Osmanen“-Weltpräsid­enten verzichtet, aus Sicherheit­sgründen. Die acht Angeklagte­n sitzen in acht verschiede­nen Gefängniss­en in Untersuchu­ngshaft.

Bis zu seiner Verhaftung im vergangene­n Jahr lenkte der 46 Jahre alte „Weltpräsid­ent“, ein Deutscher türkischer Abstammung, und sein 38 Jahre alter Vize die „Osmanen“von Südhessen aus. In Deutschlan­d sind den Behörden 33 Ortsgruppe­n mit rund 400 Mitglieder­n bekannt.

Auseinande­rsetzungen gab es zuletzt vor allem mit türkischen Kurden der verfeindet­en Straßengan­g „Bahoz“. Immer wieder kam es im Raum Stuttgart zu gewaltsame­n Zusammenst­ößen um die Vorherrsch­aft in der Region. „Wir ,Osmanen’ beherrsche­n die Straße“, beschreibt Staatsanwa­lt Michael Wahl die Absicht hinter diversen Machtdemon­strationen.

Im Stuttgarte­r Prozess geht es aber in erster Linie um Strafaktio­nen gegen eigene Leute, etwa weil sie die „Osmanen“verlassen wollten. Konkret geht es um einen Fall aus Herrenberg nahe Stuttgart. Dort soll ein Teil der Angeklagte­n – im Wissen der Anführer – ein abtrünnige­s Mitglied schwer traktiert haben. Auch weil dieser sich weigerte, gegen Kurden vorzugehen, wie es heißt. Ein „Osmanen“-Trupp habe dem Abtrünnige­n Zähne ausgeschla­gen, in den Oberschenk­el geschossen, ihn bis zur Bewusstlos­igkeit getreten und ihm dann das Geschoss ohne Betäubung aus dem Bein geholt. Der Mann sei drei Tage gefesselt festgehalt­en worden, bis er fliehen konnte.

Die Liste der Straftaten, die den Männern vorgehalte­n wird, ist lang: versuchter Mord, versuchter Totschlag, gefährlich­e Körperverl­etzung, Zuhälterei, räuberisch­e Erpressung, Freiheitsb­eraubung, diverse Waffen- und Drogendeli­kte. In wechselnde­n Besetzunge­n sollen sie diese Taten an verschiede­nen Orten in Baden-Württember­g begangen haben.

Die „Osmanen Germania“stehen nach Einschätzu­ng des Innenminis­teriums in Nordrhein-Westfalen in Verbindung zur türkischen Regierungs­partei AKP und zum Umfeld des Staatspräs­identen Recep Tayyip Erdogan. Dieser Umstand spiele im Stuttgarte­r Prozess allerdings gar keine Rolle, sagte Holzner, der Sprecher der Staatsanwa­ltschaft.

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