Nordwest-Zeitung

Scharfe Kritik an Ausweisung­en

Politiker und Wirtschaft in Sorge – Nato entzieht weiteren Russen Akkreditie­rung

- VON TOBIAS SCHMIDT, BÜRO BERLIN

Vor allem das Fehlen von Beweisen für die russische Schuld am Giftanschl­ag wird kritisiert. Die EU ist gespalten.

BERLIN – Auf die Ausweisung Dutzender russischer Diplomaten aus Deutschlan­d und anderen westlichen Staaten folgten am Dienstag viel Kritik und Sorgen der Wirtschaft. Es sei „leichtfert­ig, ohne belastbare Beweise nur aufgrund von Indizien so gegen Russland vorzugehen und in einen neuen Kalten Krieg zu stolpern“, warf Grünen-Außenpolit­iker Jürgen Trittin der Bundesregi­erung vor.

Groß ist die Beunruhigu­ng auch bei den Unternehme­n: Eine „Eskalation­sspirale“sei nun zu befürchten, so Wolfgang Büchele, Vorsitzend­er des Ost-Ausschusse­s der deutschen Wirtschaft. Dabei „weisen nicht alle plausiblen Tatmotive eindeutig nach Moskau“. Der Westen begründete die Ausweisung­en mit der angebliche­n Schuld Moskaus am Giftanschl­ag auf den Doppelagen­ten Sergej Skripal.

Zwar legte die Nato am Dienstag nach, entzog sieben Mitarbeite­rn der russischen Vertretung im Bündnishau­ptquartier in Brüssel die Akkreditie­rung. Aber längst nicht alle EU-Staaten sind an Bord. Vor allem Österreich­s Regierung macht nicht mit, sieht sich in der „Brückensch­lagfunktio­n“.

Gernot Erler, Russland-Beauftragt­er der Bundesregi­erung, ist alarmiert: „Es wäre besser gewesen, wenn alle 28 EU-Staaten einheitlic­h vorgegange­n wären.“Zu den EUStaaten, die ausscheren, gehören Griechenla­nd, Portugal und Belgien.

Kritik an den Strafmaßna­hmen kam auch vom luxemburgi­schen Außenminis­ter Jean Asselborn: „Wenn man die Eskalation so weit treibt, dass es kein Zurück mehr gibt und ohne dass man schon Ergebnisse der Organisati­on für das Verbot von Chemiewaff­en hat, dann ist das gewagt.“

Die Antwort Russlands dürfte frühestens an diesem Mittwoch folgen. Am Dienstag trauerte Russland um die Opfer der Brandkatas­trophe in Sibirien. Dass der Westen ausgerechn­et am Tag der Tragödie mit mehr als 60 Toten seine Strafmaßna­hmen verkündet hatte, sorgte in Moskau für zusätzlich­en Zorn.

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