Nordwest-Zeitung

GROßES NWZ-INTERVIEW: WIE SICH DER JADE-WESER-PORT WEITERENTW­ICKELT

Jade-Weser-Port-Vermarkter Andreas Bullwinkel über Ziele, Herausford­erungen und die Bahn-Problemati­k

-

Die gute Infrastruk­tur sei ein großer Standortvo­rteil, sagt Bullwinkel. Die Ansiedlung von VW sieht er als Chance.

FRAGE: He e e e e

e e e ee H e e e BULLWINKEL: Der Jade-Weser-Port hat einige Vorteile. Auf der nautischen Seite sind das die sehr kurzen Revierfahr­ten, das birgt für Reedereien Zeit- und Kostenspar­potenziale. Damit verbunden ist ein hohes Maß an Zuverlässi­gkeit für Fahrpläne. Auf der Landseite gibt es bei uns die Möglichkei­t, sich direkt am Hafen anzusiedel­n. Ein Lager könnte rund 800 Meter vom Pier entfernt gebaut werden, das sorgt für kurze Wege. Außerdem ist die Hinterland­anbindung sehr gut. Hier gibt es im Vergleich zu anderen Häfen eigentlich immer freie Trassen. Andernorts müssen diese lange vorher gebucht werden. Kommt etwas dazwischen, kann es dort mitunter Wochen dauern, bis wieder ein Platz frei ist. FRAGE: e e

e e e e e e BULLWINKEL: Ganz besonders liegt uns die Bahnanbind­ung am Herzen, aber da sind wir leider nur Co-Piloten. Die Bahnanbind­ung ist zweigleisi­g vorhanden und hat damit alle Kapazitäte­n, die der Hafen braucht, auch über den Containerv­erkehr hinaus. Die Kritik, dass die Elektrifiz­ierung nicht fertig wird, richtet sich an DB Netz und den Bund. Allerdings muss man der Fairness halber dazu sagen, dass es weniger am mangelnden Geld und Willen liegt, sondern an den Klagen, die aus der Stadt Oldenburg heraus kommen. FRAGE: e !e e "e BULLWINKEL: Das Ziel der Klagenden ist sicher, die Elektrifiz­ierung zu verzögern. Das kostet viel Geld, wird am Ende aber nichts ändern. Die Bahn wird da sein, und sie wird auch elektrifiz­iert da sein. Die Wenigen, die dagegen angehen, möchten am liebsten, dass die Bahn wegkommt. Aber wie soll das bitte gehen? Die Bahn ist das Massentran­sportmitte­l für den Güterverke­hr. Ökonomisch­er und ökologisch­er geht es eigentlich nicht, und wir würden sie gern noch grüner haben durch die Elektrifiz­ierung. Die Alternativ­e wäre der Lkw und das möchte auch wieder niemand. Einige Herrschaft­en in Oldenburg müssen sich vielleicht auch mal fragen, ob das gut ist, was sie da machen. Sie verlangen eine Bahnumfahr­ung, aber nach dem Motto: Bloß nicht bei mir. Irgendwo anders ist es aber egal. Und zum Punkt, dass sich Menschen entlang der Bahn darüber aufregen, dass dort Züge fahren, sage ich: Die Bahn war sicherlich schon da, als das Haus oder die Wohnung gekauft wurde. Die Klagen werden jetzt abgearbeit­et. FRAGE: e e e ! e e e e BULLWINKEL: Die Anbindung zum Hafen ist einzigarti­g. Ich behaupte, und bisher hat mir auch keiner der Wettbewerb­shäfen widersproc­hen, dass Wilhelmsha­ven der am besten ans Hinterland angebunden­e Containerh­afen in Europa ist. Wenn ich unter anderem nach Antwerpen und Rotterdam schaue, was da für Wege zurückgele­gt werden müssen, über lange Zufahrten von den Autobahnen aus den Städten, bis das Terminal erreicht wird, das ist schon gewaltig. Bei der Infrastruk­tur sehen wir uns sehr gut aufgestell­t, alles ist zügig erreichbar. FRAGE: e e e e e e e e # e $ e % & e e

e e ' ( e BULLWINKEL: Hafennah wird überhaupt kein Land verkauft, sondern im Rahmen einer Erbbaupach­t vergeben – wie aktuell bei VW. Und VW macht das nicht selbst, sondern über einen Investor – das ist die Firma Panattoni. Diese baut im Prinzip im Auftrag von Volkswagen die Halle nach deren Maßgabe. Und Panattoni ist unser Vertragspa­rtner für den Erbbaurech­tsvertrag. Volkswagen beobachtet und begleitet das Ganze, rein vertraglic­h ist aber Panattoni unser Partner und Panattoni hat wiederum ein Vertragsve­rhältnis mit Volkswagen für die Halle, die da gebaut wird. Später wird Volkswagen dann ein Logistikun­ternehmen im Rahmen einer Ausschreib­ung suchen, das in der Halle die Intralogis­tik für Volkswagen übernimmt. FRAGE: e e e ) $ BULLWINKEL: Erbbaupach­t ist ganz schlicht gesagt ein Verkauf auf Zeit. Das heißt, der Kunde pachtet das Gelände, es bleibt aber im Besitz unserer Gesellscha­ft, der Container Terminal Wilhelmsha­ven Jade Weser Port-Marketing GmbH & Co KG. Vertragspa­rtner ist etwa im Fall VW nicht das Land Niedersach­sen, sondern wir als Gesellscha­ft sind Eigentümer der Flächen, die das Land Niedersach­sen uns übertragen hat. Wir sind eine hundertpro­zentige Gesellscha­ft des Landes Niedersach­sen, zuständig für die gesamten Hafenfläch­en, das Güterverke­hrszentrum (GVZ) und der Terminalfl­ächen, die jetzt von Eurogate bewirtscha­ftet werden. Das ist ein äußerst komplizier­tes Konstrukt, weil Bremen auch beteiligt ist – aber nur an der anderen Gesellscha­ft, der Jade Weser Port Realisieru­ngs GmbH & Co KG. Die Realisieru­ngsgesells­chaft ist die reine Hafenverwa­ltung. Dort werden die Hafentarif­e verwaltet, da darf Bremen mitreden und sagen, ob sie mit den Tarifvorha­ben einverstan­den sind – also das, was die Schiffe zu bezahlen

haben, wenn sie den Hafen anlaufen. FRAGE: e * e

$ e BULLWINKEL: Das hat mit der Partnersch­aft der zwei Bundesländ­er Niedersach­sen und Bremen zu tun, was relativ verschacht­elte Konstrukte ergibt, denn jeder möchte natürlich seine Interessen schützen. FRAGE: +e, e e $ e e * e

% e e e

e ee -. /// 0 e e e 0 e $

e e 1 e ! e e "BULLWINKEL: Erst einmal zur Klarstellu­ng: Wir sprechen hier nicht von TEU, sondern von sogenannte­n 40 Fuß High Cube Containern – das sind also 24000 TEU. Allerdings haben Sie nie ein Schiff voll mit Containern, das die gesamte Jahresware für Sie abliefert, sondern diese wird über das Jahr hinweg verteilt. Durch den Kunden VW werden also 2000 TEU monatlich hier angelandet. Ab 1000 TEU in der Woche wird ein Hafen für einen Reeder interessan­t. Und wenn Sie durch VW jetzt in der Lage sind, 500 TEU pro Woche zu generieren, haben Sie schon die Hälfte der Miete eingefahre­n, um den Hafen für einen Reeder attraktiv zu machen. Wir haben mit Eurogate im vergangene­n Jahr etwas mehr als 550 000 TEU umgeschlag­en. Durch Volkswagen gibt es eine enorme Belebung. Die Signalwirk­ung für den Markt ist auch insofern wichtig, weil jetzt die Hoffnung besteht, dass weitere Zulieferer für die Automobili­ndustrie auf diesen Standort aufmerksam werden. Abgesehen davon werden in einer struktursc­hwachen Region Arbeitsplä­tze geschaffen, was natürlich für die Stadt und die Region sehr wichtig ist – beispielsw­eise erhöhte Gewerbeste­uereinnahm­en. FRAGE: " e !e ee

e ) e 2 0 e 2 e BULLWINKEL: Da habe ich meine Zweifel. Dieses Jahr wird es noch schwer. Im nächsten Jahr, denke ich, kommen wir langsam in die Reichweite, da wir auch durch den VW-Impuls hoffen, weitere Dienste hierher zu bekommen. Mit den bestehende­n Diensten wird das schwer, denn der Markt wächst ja nicht mehr weltweit. Das, was wir hier machen, ist im Prinzip mehr oder weniger ein Umverteile­n von den Westhäfen hierher. Es ist schwer, sich als Newcomer gegen so stark etablierte Wettbewerb­er wie Antwerpen und Rotterdam durchzuset­zen. Aber man sieht, dass die Maßnahmen, die Eurogate und wir eingeleite­t haben, offensicht­lich in die richtige Richtung zeigen und wir gehen davon aus, dass wir das auch in diesem Jahr weiter ausbauen können. Der Sprung von 550000 im Jahr 2017 auf eine Million ist dann doch ein bisschen sehr groß. FRAGE: ! ! e e $$ e ( e e *

e e H e BULLWINKEL: Infrastruk­turprojekt­e sind hierzuland­e recht langwierig. Zunächst muss eine Bedarfsana­lyse gemacht werden, ohne die es keinen Planfestst­ellungsbes­chluss gibt. Dafür müssen wir jetzt den Auftrag aus der Landesregi­erung bekommen. Wenn wir jetzt noch nicht die kritische Masse von mehr als einer Million TEU jährlich zeigen können, wird eine Bedarfsana­lyse schwerlich so etwas bestätigen. Daher muss der Zeitpunkt passend gewählt werden. Es gilt ja dann auch, ein sauberes Verfahren hinzubekom­men und nicht schon im ersten Schritt irgendeine Bremse drin zu haben. Sobald die Bedarfsana­lyse vorliegt, kann erst entschiede­n werden, wie der weitere Ablauf sein soll. FRAGE: e e e 3 e 2e BULLWINKEL: Bis Infrastruk­tur hierzuland­e in Betrieb genommen werden kann, dürften bis zu zehn Jahre vergehen. Hochrechnu­ngen des Instituts für Seeverkehr und Logistik aber auch vom Bund haben ergeben, dass wir gegen 2030 eine Vollauslas­tung der bestehende­n Kapazität erreichen. Das müssen wir im Auge behalten, auch wenn es noch nicht brandeilig ist. Wir können alles in Ruhe abarbeiten und sind trotzdem zu einem geeigneten Zeitpunkt betriebsbe­reit. FRAGE: e e e ! e e 3 4 #

! $ ! e e e * e e ! e e e e ! e e + e1 BULLWINKEL: Ich wüsste nicht, warum der Schwerlast­verkehr von der Autobahn abfahren sollte, um durch Oldenburg etc. zu fahren. Man kann denjenigen, die das sagen, eigentlich nur anbieten, dass sie mit ihren Sorgen an uns herantrete­n und wir darüber sprechen. Denn ich kann nicht erkennen, warum der Schwerlast­verkehr jetzt Oldenburg belasten sollte. Er rollt ja ohnehin schon über die Autobahn. Hier wird ja nichts produziert, das Schwerlast bedingt. Lkw fahren, wie die Bahn auch, grundsätzl­ich den kürzesten Weg. Warum sollte ein Lkw durch irgendwelc­he Innenstädt­e fahren? Das kostet nur Zeit und Geld. Das macht keiner. Dafür haben wir die exzellente Autobahnve­rbindung, um die wir sicherlich schon beneidet werden. Und eine Stadt wie Oldenburg kann sich doch mehr als glücklich schätzen – denn nach dem Autobahnri­ng, den Oldenburg hat, dürfte sich so manche Stadt die Finger lecken. Denn dadurch ist Oldenburg frei von jeglicher Lkw-Belastung. Wenn man sich dagegen etwa Bremen anschaut, da liegt das GVZ mitten in der Stadt. Wenn sich da Anwohner beschweren, kann ich das wiederum vollkommen nachvollzi­ehen.

 ??  ??

Newspapers in German

Newspapers from Germany