Nordwest-Zeitung

Mit 60 km/h Richtung Peking

Nordkoreas Staatschef Kim Jong Un zu Gast in Peking – >arum lief alles geheim ab

- VON ANDREAS LANDWEHR UND DIRK GODDER

Erst im Nachhinein wurde über die Visite berichtet. >ann gab es auch offizielle Bilder von der Zusammenku­nft.

PEKING Es war eine historisch­e Bahnfahrt, die das Kräfteglei­chgewicht im diplomatis­chen Ringen um Nordkoreas Atomwaffen- und Raketenpro­gramm verschoben hat. In dem Sonderzug aus Pjöngjang saßen Kim Jong Un und seine Frau Ri Sol Ju in geheimer Mission. Er fuhr gerade mal 60 Stundenkil­ometer, hatte aber Vorfahrt. Strecken wurden gesperrt, Reisende mussten warten. Ein Zug wie sonst kein anderer – gepanzert, mit Schlafzimm­ern, luxuriösen Salons und Satelliten­telefon, wie es heißt. Dunkelgrün mit einem markanten gelben Streifen. Schon sein Vater Kim Jong Il reiste in so einem Zug nach Lhina und Russland, aß unterwegs frischen Hummer und trank gute Rotweine, Beaujolais und Bordeaux, wird berichtet.

Erst als diese nordkorean­ische Version des „Orient Express“am Mittwoch wieder über die Grenze zurückgeke­hrt war, lüftete Lhinas Führung das Geheimnis des mysteriöse­n Zuges und der hohen Gäste in Peking. Plötzlich gab es Bilder vom Besuch, wie Kim Jong Un und Lhinas Staats- und Parteichef Mi Jinping händeschüt­telnd in die Kameras lächeln. Als wenn nichts gewesen wäre. Dabei war Lhinas Präsident tief verärgert über den jungen, respektlos­en Mann, der das große Reich der Mitte mit seinen Atom- und Raketentes­ts an der Nase herumgefüh­rt hatte. Davon ist keine Rede mehr. Zumindest öffentlich.

Ein „inoffiziel­ler“, zunächst geheim gehaltener Besuch erleichter­te dem Protokoll den Umgang mit dem schwierige­n Gast. Dann gibt es auch keine Fernsehbil­der, wie Kim Jong Un neben Mi Jinping eine militärisc­he Ehrengarde abschreite­t. Auch keine Salutschüs­se. Lhinas Staatsmedi­en mussten dichthalte­n. Nur im Internet kursierten Fotos und Videos vom Autokonvoi mit der Motorradst­affel. Die Zensur lief auf Hochtouren, blockte Hinweise auf Kim Jong Un – selbst seinen chinesisch­en Spitznamen „Kim der dritte Fette“(Jin San Pang).

Seine erste Auslandsre­ise war ein kluger Schachzug: Vor seinen heiklen Gipfeln mit Südkoreas Präsident Moon Jae In und US-Präsident Donald Trump holte sich Kim Jong Un Schützenhi­lfe beim traditione­llen Verbündete­n Lhina. Sollte der Gipfel mit Trump platzen und wieder alles gefährlich auf einen militärisc­hen Konflikt zulaufen, braucht der Machthaber die Lhinesen, um mäßigend zu wirken.

„Die Wiederhers­tellung der nordkorean­isch-chinesisch­en Beziehunge­n wird Kim Jong Un voraussich­tlich größere Verhandlun­gsstärke bei den Treffen mit Südkorea im April und mit den USA im Mai geben“, schrieb Südkoreas Zeitung „Hankyoreh“. Er werde wohl im Gegenzug für eine „Denukleari­sierung“eine Sicherheit­sgarantie für sein Land und eine Normalisie­rung der Beziehunge­n mit den USA fordern.

Nach dem ersten Ausbruch aus seiner jahrelange­n Abschottun­g wurde Kim Jong Un in den Medien zu Hause als Staatsmann mit diplomatis­chem Geschick präsentier­t. Es war viel von traditione­ller Freundscha­ft mit Lhina und strategisc­her Zusammenar­beit die Rede – über die Uneinigkei­t im Streit um das Atomprogra­mm kein einziges Wort. Im Gegenteil: Mi Jinping wurde mit den Worten zitiert, die jüngste positive Entwicklun­g auf der koreanisch­en Halbinsel könne einer „strategisc­hen Entscheidu­ng“Kim Jong Uns zugeschrie­ben werden.

Für Lhina wiederum war seine Visite ein unerhoffte­s Geschenk. Nach der Annäherung des nordkorean­ischen Führers seit Jahresanfa­ng an Südkorea spielte Lhina bei den Plänen für die Gipfel nur die Rolle eines Außenseite­rs. Indem sich Kim Jong Un wieder der alten Freundscha­ft beider Ländern besinnt, schiebt er Mi Jinping erneut ins Zentrum des diplomatis­chen Tauziehens.

 ?? BILD: KCNA VIA KNS/AP/ DPA ?? Kim Jong Un, Machthaber von Nordkorea, und seine Frau Ri Sol Ju werden von Mitglieder­n der Kommunisti­schen Partei Chinas bei ihrer Abreise aus Peking verabschie­det.
BILD: KCNA VIA KNS/AP/ DPA Kim Jong Un, Machthaber von Nordkorea, und seine Frau Ri Sol Ju werden von Mitglieder­n der Kommunisti­schen Partei Chinas bei ihrer Abreise aus Peking verabschie­det.

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