Giftanschlag nützt May
Neue Verbündete für Premierministerin
LONDON Die britische Premierministerin Theresa May macht in diesen Tagen eine auffällige Wandlung durch. Sah sie in den vergangenen Monaten oft wie ein Häufchen Elend aus, präsentiert sie sich jetzt bei offiziellen Terminen wieder selbstbewusst. Der mysteriöse Giftanschlag auf den Ex-Doppelagenten Sergej Skripal und seine Tochter Yulia in der englischen Kleinstadt Salisbury gibt ihr ordentlich Rückenwind – sowohl innen- als auch außenpolitisch.
In den vergangenen Monaten ging bei May so ziemlich alles schief. Aus einer Neuwahl im vergangenen Juni wollte sie gestärkt herausgehen. Doch das Gegenteil geschah: Sie erlitt eine Wahlschlappe und regiert nur noch mit hauchdünner Mehrheit. Zudem ist ihre Regierung im Brexit-Kurs zerstritten. Hardliner wie Außenminister Boris Johnson und Brexit-Minister David Davis stehen eher EUfreundlichen Politikern wie Schatzkanzler Philip Hammond gegenüber. Der Streit wurde öffentlich ausgetragen.
Der Fall Skripal brachte eine Wende. London hält den russischen Präsidenten Wladimir Putin für den Drahtzieher des Attentats. Ob Deutschland, die USA oder Australien: In vielen Telefongesprächen warb May bei Verbündeten um Unterstützung und erzielte beim EU-Gipfel in der vergangenen Woche den Durchbruch. Prompt kündigten mehr als 20 Länder die Ausweisung von weit über 100 russischen Diplomaten an. Aber: Bislang öffentlich gemacht wurden die „entscheidenden neuen Informationen“zum Anschlag nicht.
Russlands Antwort auf die Ausweisungen werde zu gegebener Zeit folgen, sagte am Mittwoch Kremlsprecher Dmitri Peskow. Und wie wird dann London wiederum antworten? Es gebe Beschwerden, „dass London zwar die Unterstützung von Verbündeten sucht, selbst jedoch keinen zu hohen Preis dafür zahlen möchte, dass Moskau herausgefordert wird“, berichtete die britische Zeitung „The Guardian“am Mittwoch. Im Parlament deutete May an, dass das Vermögen von mit Putin befreundeten Oligarchen eingefroren werden könnte. Was immer May noch an Maßnahmen gegen Moskau verkünden wird: Sie wirkt siegessicher und verweist immer wieder auf die „Solidarität der Verbündeten“. Andere Staaten und auch die BrexitHardliner ziehen im Fall Skripal mit ihr an einem Strang.