„Der Me#sch ist verführbar“
Margot Käßmann über Ostern, Tanzverbot am Karfreitag und den Islam
FRAGE: Auferstehung und das ewige Leben – verstehen Sie, dass da nicht wenige Menschen zweifeln und nicht daran glauben? KÄßMANN: Aber natürlich, zum Glauben gehört der Zweifel immer dazu. Das war schon kurz nach Tod und Auferstehung Jesu so, der „ungläubige Thomas“ist dafür die Symbolfigur. Zum Glauben gehört Mut und Gottvertrauen. Ich kann nur sagen: Trauen Sie sich, lassen Sie sich darauf ein. FRAGE: Aber Ostern ist auch die Geschichte von Intrige und Verrat. Denken Sie an Judas und die drei(ig Silberlinge... KÄßMANN: Ja, die Bibel ist ein sehr realistisches Buch. Der Mensch ist verführbar, das wird immer wieder geschildert. FRAGE: Sie sagen, Karfreitag kann auch gelacht werden. Warum dann ein Verbot von Tanzveranstaltungen? KÄßMANN: Es wird so viel von Tradition gesprochen in letzter Zeit. Und es ist gute Tradition in Deutschland, dass mit Blick auf unsere christliche Prägung der Karfreitag als stilSchlammschlachten, ler Tag gefeiert wird. Ist das echt so eine skandalöse Einschränkung der persönlichen Freiheit, wenn ich an 364 Tagen tanzen kann, ich an einem einzigen Tag mal Rücksicht auf die religiösen Überzeugungen der Mehrheit der Menschen im Land nehmen soll? FRAGE: Die Kirche erlebt einen 23odus, verliert immer mehr Mitglieder. Wie l4sst sich diese 2ntwicklung stoppen? KÄßMANN: Die Kirchen ringen darum, sie versuchen eine gute Balance zwischen Tradition und Innovation zu finden. Aber Kirchen sind keine Konzerne, die sich allein an Zahlen und Finanzen messen lassen, es geht um ihre Glaubwürdigkeit, die Verkündigung,
denEinsatzfürNächstenliebe und Barmherzigkeit. Wenn Menschen daran nichts mehr liegt, können die Kirchen sie nicht dazu zwingen oder irgendwie überreden. Da muss schon jeder und jede selbst entscheiden, was er oder sie für wichtig hält, wenn es um Wurzeln, Werte und Beheimatung geht. FRAGE: 5ach Ansicht von 6undesinnenminister 1orst Seehofer (CS/0 geh7rt der Islam nicht zu Deutschland. Was sagen Sie? KÄßMANN: Ich selbst bin schon mit Menschen muslimischen Glaubens aufgewachsen und ich erlebe, wie sie sich vor den Kopf gestoßen und ausgegrenzt fühlen durch solche Aussagen und die die darum geführt werden. Für mich gehören pöbelnde Rassisten nicht zu Deutschland. Was wir brauchen ist eine Definition unseres Landes, die nichts mit dem so genannten Migrationshintergrund zu tun hat, sondern Glaubensfreiheit, Rede- und Meinungsfreiheit, Gleichberechtigung und eine Kultur der sozialen Verantwortung feiert. Dazu gehören Menschen verschiedenen Glaubens und auch Menschen ohne Glauben. FRAGE: Gesundheitsminister Jens Spahn (CD/0 findet, 1artz IV bedeute nicht Armut, sondern sei die solidarische Antwort der Gesellschaft auf Armut. Stimmen Sie ihm da zu? KÄßMANN: Armut ist nicht nur Hunger, sondern Ausgrenzung. Und Menschen, die von Hartz IV leben müssen, sind ausgegrenzt, leben ständig an der Grenze der Belastbarkeit, sie sind arm. Ein kaputter Kühlschrank, ein grippaler Infekt und schon steht alles in Frage. Vor allem Kinder sind arm, wenn sie ausgegrenzt sind. Und gerade alleinerziehende Mütter sind arm, weil sie nicht wissen, wie sie den Spagat leisten sollen.