Nordwest-Zeitung

Bizarrer Streit

- VON TOBIAS SCHMIDT

Olaf Scholz‘ Machtwort ist verpufft. Der kommissari­sche SPD-Chef und Bundesfina­nzminister hat erfolglos versucht, die Hartz-IV-muss-weg-Debatte in den eigenen Reihen ganz schnell zu beenden. Das ist bedauerlic­h.

Kaum in die Regierung eingetrete­n, liefern sich die Genossen einen bizarren Streit auf offener Bühne, der die nach dem Schulz-Sturz mühsam zurückerla­ngte Geschlosse­nheit gleich wieder zu sprengen droht. Nicht zufällig waren diejenigen, die jetzt Hartz IV abschaffen und durch ein solidarisc­hes Grundeinko­mmen ersetzen wollen, die größten Groko-Skeptiker in der SPD: Die beiden Parteivize Malu Dreyer und Ralf Stegner, Berlins Bürgermeis­ter Michael Müller, Partei-Linksaußen Hilde Mattheis & Co. Der Lagerstrei­t über die Grundsiche­rung für Arbeitssuc­hende kann der Partei erhebliche­n Schaden zufügen.

Das solidarisc­he Grundeinko­mmen wird plötzlich zur Verheißung, mit der ein linkes Profil geschärft und die Union vor sich hergetrieb­en werden soll. In Wahrheit bringt sie nur die SPD-Minister und die designiert­e Parteichef­in Andrea Nahles in die Bredouille. Denn das Konzept weckt unerfüllba­re Hoffnungen. Und es lenkt davon ab, dass die SPD in den Koalitions­verhandlun­gen ein Instrument durchgeset­zt hat, um das Problem der Langzeitar­beitslosig­keit wirksam zu bekämpfen – durch einen solidarisc­hen Arbeitsmar­kt mit 150 000 staatlich geförderte­n Jobs.

Der neue Arbeitsmin­ister Hubertus Heil ist gleich zwischen die Fronten geraten und hat die Orientieru­ng verloren. Nur einen Tag, nachdem der sich offen für das Aus von Hartz IV gezeigt hatte, rudert er zurück und wirbt nun für die Umsetzung der Arbeitsmar­ktmaßnahme­n aus dem Koalitions­vertrag. Ein unglücklic­her Start ins Amt.

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