Nordwest-Zeitung

„Ablenkung ist zu intensiv“

Kirchen-Präsident Sternberg über die Bedeutung der 2stergesch­ichte

- VON TOBIAS SCHMIDT, BÜRO BERLIN

FRAGE: Herr Sternberg, zu Ostern feiern C risten Jesu Auferste ung. Wundert es Sie, dassvie"eMensc enmitdiese­r Botsc aft nic ts me r anfangen können? STERNBERG: Nein, im Gegenteil! Die Botschaft war schon vor knapp zwei Jahrtausen­den eine Zumutung. Als Paulus sie verkündete, wollte niemand etwas davon hören. Aber an der Frage der Auferstehu­ng hängt unendlich viel. Unser ganzer christlich­er Glaube und viele Elemente unserer Kultur sind darauf gegründet. Die Auferstehu­ng Jesu ist das zentrale Glaubenser­eignis für uns Christen. FRAGE: Immer me r Mensc en wenden sic von der Kirc e ab. Liegt es auc daran, dass die Osterbotsc aft nic t me r durc dringt? STERNBERG: Sie dringt weiterhin bei vielen Menschen durch. Für viele andere gibt es jedoch zu wenige Gelegenhei­ten, über ganz grundsätzl­iche religiöse Fragen nachzudenk­en. Die Ablenkungs­formen sind zu intensiv. Es bleibt keine Zeit, sich damit auseinanbi­ge derzusetze­n, wer wir eigentlich sind und ob der Tod wirklich das letzte Wort hat. FRAGE: Smartp ones und das Internet sind die neuen Götter? STERNBERG: Die Christusge­schichte hat so viel mehr zu bieten! Sie müssen wir greifbarer machen. Da ist jemand, der die totale Erniedrigu­ng erlebt hat. Der Messias war eben nicht der strahlende Held. Jesus hat vom Dienen gesprochen und nicht vom Bedientwer­den. Er hat gesagt, der Erste wird der Letzte sein. Er selbst war der Letzte, ist am Kreuz verreckt. Und dann passierte das Ungeheuerl­iche, ein Mensch hat den Tod überwunden. FRAGE: Gerät die c rist"ic e Tradition in Deutsc "and auc durc die verstärkte Zuwanderun­g

von Mus"imen in die Defensive? STERNBERG: Nein, diesen Eindruck habe ich überhaupt nicht. Aber sehr viele Menschen, die sich selbst als säkular bezeichnen, fühlen sich in ihrer Identität hinterfrag­t, wenn sie plötzlich erleben, dass es Menschen mit ganz anderer kulturelle­r und religiöser Prägung gibt. Dadurch kommen Fragen auf: Wer sind wir eigentlich? Was macht uns aus? Hier fürchten viele Europäer um ihre religiöse und kulturelle Prägung, obwohl sie sich nicht als Christen sehen. FRAGE: Haben mus"imisc e Feiertage i ren P"atz im deutsc en Feiertagsk­a"ender? STERNBERG: Die christlich­e Kultur wird nicht dadurch beeinträch­tigt, dass Andersgläu- ihre Feste feiern und religiös sind. Sie wird dadurch beeinträch­tigt, dass niemand mehr weiß, an was wir Christen an Christi Himmelfahr­t oder an Karfreitag denken. Es wird in Deutschlan­d immer schwierige­r, Menschen davon zu überzeugen, dass es einen kulturelle­n Sinn hat, den Karfreitag als Ruhetag zu begehen. FRAGE: Horst See ofer wi"" die c rist"ic e Prägung offenbar durc seine Aussage stärken, der Is"am ge öre nic t zu Deutsc "and… STERNBERG: Diese Debatte bringt uns nicht weiter. Wenn viele Muslime bei uns leben, ist der Islam natürlich auch ein Teil von Deutschlan­d! Die europäisch­e Tradition ist zudem reich an islamischc­hristliche­m Austausch. Es beunruhigt mich sehr stark, dass versucht wird, Problemlag­en auf eine Religion zu übertragen. Das hat es in der ersten Hälfte des vergangene­n Jahrhunder­ts schon einmal gegeben. Damals wurden Pauschalur­teile über Juden in die Welt gesetzt. Das hat es den Nazis ermöglicht, den Antisemiti­smus bis zum größten Verbrechen der Menschheit weiterzutr­eiben.

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