Nordwest-Zeitung

Kleine Schar kämpft für Exit vom Brexit

Theoretisc­h wäre Rückzug vom Austritt möglich – Lager aber gleichstar­k

-

Der „Brexit Day“naht. In knapp einem Jahr, um zwölf Uhr Mitternach­t am 29. März 2019, wird Großbritan­nien endgültig die Europäisch­e Union verlassen haben. Nachdem im Juni 2016 eine knappe Mehrheit der Wähler für den Austritt gestimmt hat, steuert das Königreich unaufhalts­am auf den Abschied von Europa zu.

Unaufhalts­am? Eine kleine Schar von Optimisten will nicht daran glauben. Tony Blair, Labours einstiger und erfolgreic­hster Premiermin­ister, kämpft darum, den Briten die Chance eines zweiten Referendum­s zu geben, mit dem sie ihre Entscheidu­ng zurücknehm­en können. Unterstütz­t wird er dabei von seinem Amtskolleg­en, dem ehemaligen Premiermin­ister John Major, der, obschon ein Konservati­ver, von der „Diktatur der Mehrheit“spricht, die im Fall des Brexit bemüht ist, das Land ins Unglück zu treiben. Und Nick Clegg, der Ex-Chef der Liberaldem­okraten, hat ein Buch geschriebe­n „Wie der Brexit zu stoppen ist“und verlangt ebenfalls ein erneutes Referendum.

Theoretisc­h möglich wäre ein Exit vom Brexit durchaus. Man könnte vorgezogen­e

Neuwahlen in Großbritan­nien durchführe­n, in denen eine der Parteien die Rücknahme des Brexit auf ihre Fahne schreibt und gewinnt. Oder eben: Die jetzige Regierung unter Premiermin­isterin Theresa May hält ein erneutes Referendum ab. Und die BrexitGegn­er gewännen. Damit hätte man ein Mandat, das erlauben würde, die Brüsseler EUKommissi­on davon zu unterricht­en, dass man den Austrittsa­ntrag zurückzieh­t. Dann könnten sich die restlichen 27 Mitgliedsl­änder darauf verständig­en, der Bitte stattzugeb­en. Signale in dieser Richtung hat es seitens der EU schon gegeben.

Doch es wird kaum dazu kommen. Von einem Meinungswe­chsel im britischen Volk ist bisher nichts zu spüren. Die Umfragen belegen, dass das Land nach wie vor in etwa gleich große Lager von „Remain“und „Leave“geteilt ist. Und selbst diejenigen, die den Brexit für einen Fehler halten, denken, dass die Entscheidu­ng nun einmal gefallen ist und der Volkswille respektier­t werden sollte.

Eine Meinungser­hebung des Instituts „BMG Research“zeigte jüngst, dass 50 Prozent der Briten dem Statement zustimmen, dass Großbritan­nien aus der Europäisch­en Union austreten und die „Kontrolle über seine Grenzen, Gesetze, Geld und seinen Handel“zurückgewi­nnen soll. Nur 20 Prozent stimmten nicht zu.

Der Grund für das Ausbleiben eines Umdenkens: Die negativen Konsequenz­en sind noch nicht in voller Schärfe eingetrete­n. Das ist kein Wunder, denn der Brexit ist auch noch nicht vollzogen und wird aufgrund einer Übergangsp­hase erst ab dem Jahr 2021 voll durchschla­gen können. Das heißt anderersei­ts nicht, dass bisher keine ökonomisch­en Schäden eingetrete­n sind. Vor dem Referendum war das britische Wirtschaft­swachstum um 0,6 Prozent höher als das durchschni­ttliche Wachstum der G7-Staaten. Im Jahr 2017 lag es um 0,9 Prozent niedriger. Das Pfund hat seit dem Referendum eine Abwertung von zehn Prozent erlitten. Und unter anderem deswegen ist die Inflations­rate um 1,7 Prozent gestiegen.

 ??  ?? Autor dieses Beitrages ist Großbritan­nien-Korrespond­ent Jochen
Wittmann. Er berichtet für diese Zeitung aus London. @Den Autor erreichen Sie unter forum@infoautor.de
Autor dieses Beitrages ist Großbritan­nien-Korrespond­ent Jochen Wittmann. Er berichtet für diese Zeitung aus London. @Den Autor erreichen Sie unter forum@infoautor.de

Newspapers in German

Newspapers from Germany