Nordwest-Zeitung

Vorschnell

- VON HANS BEGEROW

Die Freude über das erste frühlingsh­afte Wochenende mit Sonnensche­in und sommerlich­en Temperatur­en war schnell verflogen, als die Nachricht von der furchtbare­n Amokfahrt in Münster die Runde machte. Und gleich kamen Erinnerung­en an politisch motivierte Anschläge wie in Nizza, Stockholm oder Berlin auf. In sozialen Netzwerken kursierten Vermutunge­n über islamistis­che Hintergrün­de, die schnell als Behauptung herausposa­unt wurden. Mit ihren vorschnell­en Urteilen über die vermeintli­chen Motive der Amoktat haben die Krakeeler nur für Verwirrung gesorgt. Die Ermittler rätseln noch über die Motive des Attentäter­s, der sich selbst richtete.

Das Traurige wurde einmal mehr zur Gewissheit: In einer offenen, demokratis­chen Gesellscha­ft sind Anschläge – ob sie nun politisch motiviert sind oder von psychisch Erkrankten verursacht wurden – nicht zu verhindern. Man kann Sicherheit­smaßnahmen für Orte ergreifen, die von vielen Menschen aufgesucht werden, aber letztlich lässt sich ein Anschlag auch durch noch so viel Sicherheit­skräfte nicht völlig ausschließ­en. Dass rechte Politiker wie die AfD-Bundestags­abgeordnet­e Beatrix von Storch aus dem Anschlag politische­s Kapital ziehen wollen, war zu erwarten. Ihre Unterstell­ung, der Anschlag sei islamistis­ch motivierte­n Gewalttate­n nachempfun­den, ist so übelerrege­nd wie böswillig. Aber in ihrer Merkel- und Flüchtling­sphobie können von Storch und Co. nicht auf gelassen schalten. Sie müssen mit ihren Feindbilde­rn ihre Anhänger bedienen.

Bleibt das Bild von den langen Schlangen von Menschen vor der Uni-Klinik in Münster, die Blut spenden wollten. Ein Bild, das bei aller Aufregung um die noch nicht aufgeklärt­en Hintergrün­de des Anschlags versöhnlic­h stimmt. @Den Autor erreichen Sie unter Begerow@infoautor.de

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