Nordwest-Zeitung

Von d$n H$imsuchung$n d$r L$istungsg$s$llschaft

–In einem dichten Birkenwald, Nebel“im Stadttheat­er Wilhelmsha­ven

- VON LAURA STEINKE

WILHELMSHA­VEN – Die Iieeiert, wenn man nicht mehr reinpasst? Intensiv und anspruchsv­oll beschäftig­t sich das neue Stück der Landesbühn­e mit dieser gesellscha­ftskritisc­hen Fragestell­ung. Das Stück „In einem dichten Birkenwald, Nebel“feierte am Sonnabend eine gelungene Premiere im Stadttheat­er Wilhelmsha­ven, an die sich die 400 Zuschauer wohl noch lange erinnern werden.

Das Stück von Henriette Dushe beleuchtet, wie die Leistungsg­esellschaf­t mit Stress, Depression und Andersarti­gkeit umgeht. Auch Größenwahn und Egozentrik ziehen sich durch das Stück.

Im Fokus stehen vier Handlungss­tränge. Drei Männer erzählen zu Beginn, wie ihr Leben aus den Fugen geriet und treffen kurz danach im Birkenwald auf drei Frauen, die sich aus unterschie­dlichen Perspektiv­en an eine gemeinsame Biografie erinnern.

Nicht nur wird das Thema Stress angesproch­en, es wird in der Inszenieru­ng von Sascha Bunge auch fühlbar gemacht. So müssen sich Zuschauer manchmal auf sechs Schauspiel­er konzentrie­ren, die gleichzeit­ig unterschie­dlich agieren.

Höchste Aufmerksam­keit fordert das Stück durchgehen­d von den Zuschauern ein. Denn die tiefgründi­gen Textpassag­en lassen sich nicht nur auf das Schauspiel, sondern auf das echte Leben übertragen. Es werden Thesen aufgestell­t, wie „Entweder man weiß, wofür man lebt, oder alles ist Blödsinn“und „Denn nur wer will, der kann“, mit denen sich wohl jeder schonmal befasst hat.

Auch die Wichtigkei­t der Arbeit in der deutschen Gesellscha­ft wird herausgest­ellt. So wird angenommen, dass doch nur ein arbeitende­r Mensch glücklich werden kann. Eine Lösung für das Verhalten der Männer ist daher die körperlich­e Arbeit beim Zersägen und Zerhacken von Birken, die im Verlauf des Stücks das Bühnenbild klarer werden lassen.

Im Bezug auf Syndrome wie Burn-out wird die nie stillstehe­nde Leistungsg­esellschaf­t angeklagt: „Die Welt wird vom Stumpfsinn aufgefress­en.“Und dass dieser Stumpfsinn nie aufhören kann, solange sich die Gesellscha­ft rasend schnell bewegt, scheint ganz klar zu sein.

Insbesonde­re Claudia Kraus, die die „alte“Perspektiv­e der Frauen spielt, macht die Verzweiflu­ng von Menschen mit Depression­en intensiv und stark deutlich, so dass keiner wegschauen kann. Doch genau das wird angeklagt: Die Gesellscha­ft will, dass „Heimsuchun­gen“standhaft ertragen werden.

Das Stück von Henriette Dushe hält den Zuschauern einen extremen Spiegel vor und ruft dazu auf, bewegliche­r zu werden – im Herzen und im Verstand. Aufrütteln­d und bewegend sprach das Stück das Publikum an, doch auch humoristis­che Einwürfe kamen nicht zu kurz. Ein hoch aktuelles, aber schwierige­s Thema, dass die Zuschauer nach Ende der Vorstellun­g weiter beschäftig­te.

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PROBENBILD: VOLKER BEINHORN Depressiv und gestresst: Szene mit Claudia Kraus und Julius Ohlemann in dem Stück „In einem dichten Birkenwald, Nebel“

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