Münster steht unter Schock
Amok-Fahrer war ein Einzeltäter 48-Jähriger verschickte Brief an Bekannte und Familie Todesopfer stammen aus den Kreisen Lüneburg und Borken
Warum fährt ein Mann in Münster in eine Menschengruppe und erschießt sich dann selbst? Noch haben Staatsanwaltschaft und Ermittler keine Antwort darauf.
Nach der Amokfahrt mit insgesamt drei Toten in Münster suchen die Ermittler weiter nach einem Motiv des Täters. Unter die Trauer in der Stadt mischte sich aber auch Lob – für die Bürger, die Rettungskräfte und die Medien.
KEINE WEITEREN TÄTER
Die Polizei gab am Sonntag bekannt, dass sie keine weiteren Täter suche. Es gebe keine Hinweise, dass noch weitere Verdächtige an dem Verbrechen am beliebten Wahrzeichen „Kiepenkerl“beteiligt gewesen seien – man gehe von der Tat eines Einzeltäters aus, sagte eine Polizeisprecherin. Zunächst waren die Ermittler Zeugenaussagen nachgegangen, wonach zwei Menschen aus dem Auto gesprungen und geflüchtet sein sollten.
POLITIKER VOR ORT
Einige der mehr als 20 Verletzten waren zunächst weiter in Lebensgefahr. Ihr Zustand hatte sich laut Polizei über Nacht nicht verändert. Die Ermittler suchen derweil weiter nach Motiv und Hintergründen für das Verbrechen. Nach Informationen der Nachrichtenagentur dpa handelte es sich womöglich um einen psychisch labilen Einzeltäter. Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) und Nordrhein-Westfalens Minister- präsident Armin Laschet (CDU) traten am Sonntagmittag gemeinsam vor die Presse und sprachen Opfern und Angehörigen ihr Mitgefühl aus. „Wir hoffen inständig und beten dafür, dass die Verletzten wieder gesund werden“, so Seehofer. Er und NRW-Innenminister Herbert Reul (CDU) dankten Polizei und Sicherheitskräften – und auch den Medien, die sich verantwortungsbewusst verhalten und „sachgerecht“berichtet hätten. Reul bekräftigte auch die bisherigen Erkenntnisse: Mit hoher Wahrscheinlichkeit habe ein Einzelner gehandelt, er sei Deutscher, es gebe keinen islamistischen Hintergrund. Laschet lobte die Besonnenheit und Solidarität der Münsteraner nach der Tat. Er würde sich wünschen, dass „diese besondere Münsteraner Erfahrung einer Friedensstadt“auch diejenigen erreicht hätte, die „ganz schnell bei Twitter und anderswo wieder das Hetzen begonnen haben.“Die Leitende Oberstaatsanwältin von Münster, Elke Adomeit, sagte, dass der mutmaßliche Täter der Polizei bereits wegen kleinerer Delikte bekannt gewesen sei. Es habe drei Verfahren in Münster gegeben und eines in Arnsberg aus den Jahren 2015 und 2016 – sie seien alle eingestellt worden. Es ging damals um eine Bedrohung, Sachbeschädigung, eine Verkehrsunfallflucht und Betrug. Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil (SPD) hat den Angehörigen sein Beileid ausgesprochen. „Meine Gedanken sind bei den Todesopfern und ihren Angehörigen“, sagte Weil am Sonntag.
WOHNUNG DURCHSUCHT
Die Polizei durchsuchte insgesamt vier Wohnungen des Amokfahrers, aus denen sich keine Hinweise auf ein politisches Tatmotiv ergaben. Zwei davon lägen in Ostdeutschland, zwei in Münster.
TATVERLAUF
Um 15.27 Uhr am Samstag hatte ein Mann einen silberfarbenen Campingbus im Zentrum in eine Menschengruppe vor einer beliebten Gaststätte gefahren und sich danach im Wagen erschossen. Es handelt sich um einen 48Jährigen aus Münster. Die Polizei identifizierte inzwischen auch die beiden Todesopfer. Demnach handelt es sich um eine 51-jährige Frau aus dem Kreis Lüneburg und einen 65-jährigen Mann aus dem Kreis Borken. In der Uniklinik gab es außerdem mehrere Notoperationen. Insgesamt würden vier Schwerstverletzte behandelt, sagte eine Sprecherin.
BRIEF AUFGETAUCHT
Bereits mehr als zehn Tage vor der Tat hatte der Mann nach Informationen von WDR, NDR und „Süddeutscher Zeitung“eine Art Lebensbeichte und auch einen fünfseitigen Brief per Mail an Bekannte verschickt, in dem er aufarbeitete, was in seinem Leben schiefgelaufen sei. In einer Wohnung in Sachsen entdeckte die Polizei ein bereits älteres, 18-seitiges Schreiben, das in Ermittlerkreisen im Nachhinein als klassische Ankündigung eines Suizids gelesen wird.
FRAGE: Trauer un große Anteilnahme nach er Tat von
ünster. Wie haben Sie ie Sta t unmittelbar nach er Amokfahrt erlebt? REUL: Unsere Gedanken sind bei den Opfern und ihren Angehörigen. Wir hoffen, dass es den Verletzten schnell wieder besser geht. Münster trauert und steht unter Schock. Die Atmosphäre nach der Tat am Samstag war sehr beklemmend in der Stadt. Es war zunächst ja noch unsicher, ob es noch weitere Täter gab und womöglich ein Sprengsatz im Wagen des Täters war. Das hat sich nicht bestätigt. Am Sonntag hat sich die Lage dann etwas entspannt. Absperrungen konnten aufgehoben werden, die Menschen wieder vor die Tür. Es ist gut, wenn die Menschen sich nicht einschüchtern lassen. Münster ist eine friedliche und offene Stadt und wird es auch bleiben. Die Opferbeauftragte des Landes wird jetzt helfen, wo sie kann, die Betroffenen unterstützen und unbürokratisch mögliche Probleme lösen. FRAGE: Es heißt, er Amokfahrer sei ein Einzelt)ter, es gebe kein politisches otiv. Welche Erkenntnisse haben Sie über en T)ter un ie Tat? REUL: Bisher wissen wir, dass es sich um einen deutschen Staatsbürger handelt, dass er kein Ausländer, kein Flüchtling ist. Er hat keinen islamistischen Hintergrund. Bis jetzt haben wir auch keine Hinweise auf irgendeine andere politische Motivation. Wir wissen, dass der Täter in den letzten Jahren psychische Probleme hatte und auch Selbstmordabsichten geäußert hat. Aber die Ermittlungen sind längst nicht abgeschlossen, sie laufen weiter. FRAGE: Der T)ter soll vier Wohnungen un fünf Autos gehabt haben, war ,olizei un -ustiz bereits bekannt. .ibt es
bereits Hinweise auf ie otive es T)ters? REUL: Es gab mehrere Ermittlungsverfahren in den vergangenen Jahren gegen ihn, die aber alle eingestellt worden sind. Aber in keinem Fall ging es dabei um Gewalt. Er hatte mehrere Wohnungen und verfügte offenbar über nicht geringe Finanzmittel. Noch einmal: Bei den bisherigen Ermittlungen und Durchsuchungen ist nichts aufgetaucht, was auf einen politischen Hintergrund hindeutet. FRAGE: /st man am En e gegen solche Amok-T)ter machtlos? REUL: Wir müssen die Gefahren ernst nehmen und besonders auch die Innenstädte sichern. Jede Stadt, jede Gemeinde muss selbst vor Ort prüfen, was dabei erforderlich, praktisch und angemessen ist. Absolute Sicherheit gibt es einfach nicht. Wir können nicht jede Gewalttat verhindern, müssen aber wachsam sein. Solche Taten lassen sich leider nicht hundertprozentig ausschließen. Die Menschen dürfen sich deswegen aber nicht in ihrer Freiheit und ihrem gewohnten Leben einschränken lassen. FRAGE: 0nmittelbar nach er Tat hatte es in Sozialen 1etzwerken Ver )chtigungen un
utmaßungen über einen islamistischen Anschlag un auch Hass un Hetze gegen 2lüchtlinge gegeben. REUL: Solche Äußerungen sind unverantwortlich, übel und vergiften das politische Klima. Wer so etwas macht, spaltet die Gesellschaft und sollte geächtet werden. Solche falschen Behauptungen und Mutmaßungen schaden nur. Die Polizei hatte ausdrücklich zur Zurückhaltung gemahnt. Erst denken, dann reden! Ermittlungsarbeit braucht Zeit. Wir haben immer noch nicht alle Informationen. Aber wir arbeiten mit Hochdruck an der Aufklärung der noch offenen Fragen.