Zollstreit bedroht hiesige Firmen
Oldenburger Außenhandelsexperte sieht vor allem Risiken für Autobranche
Hans Michael Trautwein warnt auch vor „Zwickmühlen“. Er rechnet mit Handelsumlenkungen.
OLDENBURG/BERLIN – Bange Blicke nach Washington und Peking. Der Handelsstreit zwischen den beiden größten Volkswirtschaften USA und China ist auch für Unternehmen in Deutschland und den Nordwesten eine Gefahr.
„Zwar geht es primär um einen Konflikt zwischen den USA und China, aber das wird sich auch auf andere Länder auswirken“, sagt Hans Michael Trautwein, Professor für Internationale Wirtschaftsbeziehungen an der Universität Oldenburg, jetzt im Ð-Interview. „Selbst wenn die Zölle jetzt nur gegen China verhängt werden, wird es Handelsumlenkungen geben.“Das schaffe ein größeres Angebot auch in der EU und Deutschland. „Für Verbraucher kann das durchaus günstig sein, für konkurrierende Unternehmen in der EU eher weniger“, sagte er.
Sorgen müsse sich die hiesige Wirtschaft vor allem machen, wenn die stahlverarbeitende Industrie, insbesondere die Autoindustrie, mit in den Konflikt hineingezogen würde. „Falls die US-Regierung, wie angedroht, Autoimporte aus Deutschland auszubremsen versucht, wird das auch Unternehmen in der Region schaden“, sagte Trautwein.
Einige Lobbyverbände in Deutschland bereiten sich auf den Ernstfall vor. „Die von der US- und der chinesischen Regierung veröffentlichten Listen mit Waren zeigen: Es droht eine Spirale von wechselseitigen Strafzöllen“, sagte Außenwirtschaftsleiter Ulrich Ackermann vom Maschinenbauverband VDMA. Das „Sandkastenspiel“der Wirtschaftsblöcke führe zu einer Belastung des Welthandels.
Trautwein sieht noch eine andere Herausforderung für hiesige Unternehmen. „Insbesondere in hochtechnologischen Bereichen hat die USRegierung begonnen, Unternehmen aus der EU in Zwickmühlen zu zwingen. Entweder ihr kooperiert mit den Chinesen oder ihr kooperiert mit uns“, sagte er. Und da könne es dann auch passieren, „dass Unternehmen im Nordwesten zwischen Geschäften mit den einen oder den anderen entscheiden müssen“.
Die Aktien des Möbelkonzerns Steinhoff mit Wurzeln in Westerstede sind abgestürzt. Wie hoch sind die Verluste der Anleger mittlerweile?
AMSTERDAM/DÜSSELDORF/WESTERSTEDE Wenn am 20. April die Aktionäre des Möbel- und Handelsriesen Steinhoff in Amsterdam zur Hauptversammlung zusammenkommen, dürfte es sehr ernst und auch emotional zugehen: Praktisch alle Anteilseigner, die Aktien von der „Steinhoff International Holdings NV“halten, sitzen auf extrem hohen Verlusten. Die Aktie ist an der Börse abgestürzt. Es ist quasi nur noch Kleingeld übrig. Und viele bangen auch noch um den Rest ihres Einsatzes. „Für Anleger ist das die pure Katastrophe “, kommentierte Jürgen Kurz, der Sprecher der Deutschen Schutzvereinigung für Wertpapier besitz(DSW/ Düsseldorf ), die Entwicklung gegenüber dieser Zeitung. GRÖßTER VERLIERER
Die DSW hatte die Aktie kürzlich bereits zum größten Verlierer unter Deutschlands Aktien 2017 gekürt – mit 94 Prozent (!) Wertverlust binnen einen Jahres. Steinhoff, mit Wurzeln in Westerstede, seit rund 20 Jahren aber von Südafrika aus geführt und aktuell in Amsterdam formal registriert, ist bereits seit Dezember in den Schlagzeilen. Damals wurde bekannt, dass es Unregelmäßigkeiten in Bilanzen gibt. Immer neue Nachrichten zu dem Thema kamen heraus.
In den folgenden Wochen warfen zahlreiche SteinhoffAktionäre ihre Anteile auf den Markt – und beschleunigten damit die Talfahrt. Es gab auch Verkäufe, die nicht ganz freiwillig waren: Manche Aktien waren auf Kredit gekauft. Da wurden dann wohl Banken nervös.
Wohin die Schussfahrt in die Tiefe führte, zeigt ein Vergleich: Für die Aktie war Anfang Dezember 2015 bei der Erstnotiz an der Frankfurter Börse (vorher: Johannesburg) ein Kurs von fünf Euro ermittelt worden. Am 1. Dezember 2017, kurz vor Bekanntwerden der Unregelmäßigkeiten, stand der Kurs bei nur noch 3,40 Euro. Dann aber kam der totale Einbruch. Immer neue Marken wurden nach unten durchbrochen. Am Montag dieser Woche kämpfte die Steinhoff-Aktie mit der 20Cent-Linie (!). Damit sind noch etwa 4 Prozent des Börsenwertes aus der Zeit des Börsenganges in Frankfurt Ende 2015 übrig. UND DIE AKTIONÄRE?
Ein Beispiel: Wer beim Börsengang 10 000 Euro investierte, hat noch 400 Euro an Wert im Depot. Großaktionäre (darunter übrigens ein Pensionsfonds aus Südafrika) verloren Beträge im Milliarden- bzw. dreistelligen Millionen-Bereich.
Die Firma insgesamt, mit Hunderten Töchtern rund um den Globus, wurde an der Börse Ende 2015 mit fast 20 Milliarden Euro bewertet (Methode: Kurs mal Summe der Aktien). Jetzt ist man im Bereich von einigen Hundert Millionen Euro angekommen. WAS SOLL WERDEN?
Der Konzern hat einen hohen milliardenschweren Schuldenberg. Er arbeitet mit externer Unterstützung daran, Licht in die Vorgänge zu bringen. Zudem ermitteln mehrere Behörden im In- und Ausland (u.a. Staatsanwaltschaft Oldenburg). Management und Aufsichtsrat wurden erneuert, einige Firmenteile wurden abgestoßen. Sogar
der Firmenjet wurde abgegeben. HAUPTVERSAMMLUNG
All das wird bei der Hauptversammlung am 20. April Thema werden. „Es ist eben noch sehr vieles unklar“, sagt DSW-Sprecher Kurz, dessen Organisation Aktionäre auch auf Hauptversammlungen vertritt. „Langsam zu bewahrheiten“scheine sich, dass manche Bewertungen etwa von Immobilien im Konzern zu hoch angesetzt worden seien. Aktionäre könnten so etwas allerdings kaum erkennen. „Sie schauen sich die Zahlen an. Sie sind aber darauf angewiesen, dass sie korrekte Zahlen zu sehen bekommen.“