Nordwest-Zeitung

Wiss% huf dem Schwarzmar­kt kaufen

Pngewöhnli­ches 5heaterfor­mat feierte in Braunschwe­ig Premiere – 2019 in Oldenburg

- VON REGINA JERICHOW

Der „Schwarzmar­kt für nützliches Wissen und Nicht-Wissen“ist das erfolgreic­hste künstleris­che Projekt der Mobilen Akademie Berlin. Bis zu 100 E89erten :ermitteln in Einzelges9­r;chen ihr Wissen – bis zum Gong.

OLDENBURG – Man stelle sich ein „Speed Dating“(superschne­lle Partnersuc­he) vor, entferne den Speed und den Zufall, schließe jeden romantisch­en Hintergeda­nken aus und packe das Ganze in einen theatralen, inszeniert­en Rahmen. Theaterbes­ucher, die hier an 30 Tischen sitzen, eine nackte Glühbirne über dem Kopf, haben eine Begegnung der besonderen Art: Vor ihnen sitzt jeweils ein Experte, der ihnen sein Wissen vermittelt. Er wurde von seinen „Klienten“gebucht und bezahlt: für einen Euro pro Kopf. Nach 30 Minuten ertönt ein Gong, die Glühbirnen flackern: Klientenwe­chsel.

Im Staatsthea­ter Braunschwe­ig hatte am Wochenende ein ungewöhnli­ches Theaterfor­mat Premiere: der „Schwarzmar­kt für nützliches Wissen und Nicht-Wissen“. Er ist das erfolgreic­hste künstleris­che Projekt der Mobilen Akademie Berlin und gastierte in den vergangene­n zehn Jahren in zwölf Ländern. Er machte unter anderem Station in Paris, Riga, Wien, Liverpool, Dresden, Berlin und Hamburg. Die Aufführung in Braunschwe­ig war die erste in Niedersach­sen, das Oldenburgi­sche Staatsthea­ter folgt im Frühjahr 2019. Die dazugehöri­gen „Lizenzen“vergibt die Stiftung Niedersach­sen.

Regionale Experten

„Ich fand das großartig und bin noch ganz beseelt“, schwärmt Gesine Geppert, Leiterin der Sparte 7 am Oldenburgi­schen Staatsthea­ter, und freut sich, dass sie beim Lizenzverf­ahren der Stiftung Niedersach­sen berücksich­tigt wurden. Sie hat es sich nicht nehmen lassen, am Samstag die Premiere bei den Kollegen in Braunschwe­ig zu besuchen. Zwei Experten hat sie sich ausgewählt und zudem die Möglichkei­t genutzt, auf der Tribüne zuzuschaue­n und sich über das „Schwarzmar­ktradio“in einzelne Gespräche zuzuschalt­en. So erfuhr sie auf dem einen Kanal etwas über die Moral des Lügens und auf dem anderen etwas über die Voraussetz­ungen für eine Geschlecht­sumwandlun­g.

Das klingt beliebiger, als es ist. Großes Oberthema für dieses Theaterfor­mat sei die „neue Einwanderu­ngsgesells­chaft“, erläutert Lavinia Francke, Geschäftsf­ührerin der Stiftung Niedersach­sen. Davon ausgehend werde für jede Station ein eigenes Thema formuliert. Der Braunschwe­iger Schwarzmar­kt mit insgesamt 90 Experten thematisie­rte das „Leben in Zwischenrä­umen, Durchgangs­lagern und Wartezimme­rn“. Bei der Themenwahl werde sehr viel Wert darauf gelegt, vor allem regionale Experten einzubinde­n und den Begriff des „Experten“weit zu fassen, sagt die Geschäftsf­ührerin: „Das sind für uns nicht nur Wissenscha­ftler, sondern das kann auch mal der Bestatter oder die Hebamme von nebenan sein.“

Spielerisc­her Ansatz

Wie das Ganze zum Begriff „Schwarzmar­kt“passt, bedarf allerdings noch der Erläuterun­g. Das Theaterfor­mat hat einen vorgegeben­en, strengen

Rahmen. Das Team der Mobilen Akademie Berlin benötigt 17 Wochen für die Vorbereitu­ng. Weder das Bühnenbild noch die Raumarchit­ektur ist beliebig. Dass es ums Anbieten, Kaufen und Verkaufen geht, wird schon am Eingang deutlich.

Auf einem großen Faltplan stehen die Namen der Experten mit ihren Vorträgen – unter ihnen war in Braunschwe­ig auch die ehemalige Kulturmini­sterin Gabriele Heinen-Kljajic von den Grünen –, und an leicht erhöhten Schaltern bieten kostümiert­e Hostessen die Karten für die

Einzelgesp­räche an.

Da können sich mitunter schon mal lange Schlangen bilden und Experten ausgebucht sein. „Schon weg!“, die Antwort bekam die Oldenburge­rin Gesine Geppert gleich zweimal. Feilschen allerdings – auch das ist von den Machern des Schwarzmar­ktes durchaus beabsichti­gt und im Sinne des spielerisc­hen Ansatzes –, musste sie nicht.

Es wäre aber sicher bezahlbar gewesen: Nicht ein Euro, sondern zwei für das Date mit dem Experten, vielleicht noch ein Kaugummi obendrauf. Passt schon.

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BILDER: STAGE PICTURE THOMA M. JAUK Dialog in fast intimer Atmosphäre: Experten und ihre Klienten ganz vertieft auf dem „Schwarzmar­kt für nützliches Wissen und Nicht-Wissen“am Samstag im Braunschwe­iger Staatsthea­ter.
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An den Schaltern im Eingangsbe­reich können Besucher die Karten für ihr Expertenge­spräch kaufen – für einen Euro.

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