Große Sorge um Gasspeicher
Biden könnte stärker absacken – Bürgerinitiative aus Friedeburg fühlt sich betrogen
Um den Bau der riesigen unterirdischen Gasspeicher in Ostfriesland gibt es immer wieder Streit. Anwohner sehen jetzt ihre Ängste über mögliche Umweltschäden in der Zukunft bestätigt.
ETZEL „Wir sind immer belogen und betrogen worden“, sagt Dr. Arendt Hindriksen. Er ist Vorsitzender einer Bürgerinitiative, die schon lange mit den Folgen aus dem Betrieb der Kavernen in Etzel hadert. In den unterirdischen Höhlen speichert Kavernen-Betreiber Storag Gas und Öl. Werden sie geleert, sackt der Boden ab. 2,5 Meter in 100 Jahren. Das war bisher angenommen. Alles nur eine Lüge?
Jetzt hält Hindriksen ein Schreiben aus dem Wirtschaftsministerium aus Hannover in den Händen, das seiner Meinung nach die Lüge beweist. Darin steht geschrieben, dass nach Messungen des niedersächsischen Landesbergbauamts der Boden im Umfeld der Kavernen im Laufe der Zeit stärker absinken wird, als bisher angenommen. „Weitere Absenkungen von bis zu 6 cm pro Jahr werden erwartet“, heißt es in dem Schreiben, das der Ð vorliegt. Genau das, was die Bürgerinitiative immer gesagt haben will: Sechs Meter in 100 Jahren. Und tatsächlich: Ein von der Initiative in Auftrag gegebenes Gutachten kommt zu ähnlichen Zahlen. „Die haben das bislang immer als Panikmache abgetan“, klagt Hindriksen.
Ist bald Land unter in Horsten, Etzel und Marx in der Gemeinde Friedeburg (Landkreis Wittmund)? Das zumindest ist das Horror-Szenario der Bürgerinitiative. „Die Natur holt sich zurück, was ihr gehört“, sagt Hindriksen. Hat der Vorsitzende der Bürgerinitiative Recht, dann gibt es in den kleinen Ortschaften bald vor allem eins im Überfluss: Meerwasser. „Das Land hier ist nicht enkeltauglich“, sagt er.
„Man hat uns permanent suggeriert, dass es hier keine Absenkungen geben wird“, sagt Hindriksen enttäuscht. Das Gerede von Transparenz seitens des Kavernenbetreibers sei vor allem eines gewesen: „Lug und Trug.“Hinter dem Streit um die Zentimeter steckt weit mehr als nur die Wut über offenbar zerstörtes Vertrauen. „Dieses Land ist kaputt, die Heimat ist kaputt“, sagt Hindriksen. Dann schweigt er einen kurzen Moment. „Es geht hier nicht um ein paar Zentimeter“, sagt er schließlich.
Aber stimmen die Zahlen?
Was sagt der Kavernen-Betreiber Storag? „Wir sind relativ gelassen“, sagt Hans Joachim Schweinsberg, Sprecher des Unternehmens. Die Zahl, so sagt er, sei richtig. „An einem Punkt hat sich der Boden im vergangenen Jahr um 5,6 Zentimeter abgesenkt. Das ergibt dann aufgerundet sechs Zentimeter.“In der Gänze habe sich die Mulde jedoch nur um vier Zentimeter abgesenkt. Die Zahlen, so Schweinsberg, könnten schwanken. Das liege daran, um wie viel man die Kavernen entleere. Von Hochrechnungen, was in 100 Jahren wäre,
hält Schweinsberg nichts. „Diese einfache Multiplikation ist aus unserer Sicht nicht zulässig.“Für Schweinsberg bedeutet die Zahl von 5,6 Zentimetern vor allem eines: Eine Steilvorlage für die Bürgerinitiative. „Jetzt sagen die, wir haben es doch schon immer gewusst, das ist klar.“Ob man jedoch von einem Ausreißer eines Messpunkts im gesamten Feld auf das Ganze schließen könne? Schweinsberg glaubt nicht.
Die Kavernen sind seit Jahren ein Zankapfel. Etwa 75 von ihnen gibt es im Untergrund unter Etzel, manche so groß wie der Eiffelturm. Zehn Millionen Kubikmeter Öl und fünf Milliarden Kubikmeter Gas werden in ihnen gespeichert. Bei Bedarf werden die Reserven entnommen – und dann wieder befüllt.
Die Anwohner befürchten auch, dass ihre Häuser durch die Absenkungen massiv beschädigt werden. Viele fühlen sich, als lebten sie auf dem sprichwörtlichen Pulverfass. Was passiert beispielsweise, wenn es einen gewaltigen Blowout gibt und Erdgas aus einer Kaverne ausströmt? Ist
das Szenario überhaupt realistisch?
Damit es passiert, dass ein Kavernenkopf abreißt, die Leitungen freiliegen und alle Sicherheitssysteme versagen, müsse es schon einen Flugzeugabsturz oder einen Terroranschlag geben, sagen die Kavernenbetreiber. Sollte so etwas passieren, würde die zündfähige Gaswolke nach oben steigen und schon in zehn Meter Entfernung vom Bohrloch in einer Höhe von 20 Metern sein. Und sollte sich die Gaswolke in der Höhe tatsächlich entzünden, seien die Menschen in rund 100 Meter entfernten Häusern nicht durch die „Wärmebelastung“gefährdet.
So groß ist der Sicherheitsabstand zu den Anlagen. Nach den Vorstellungen der Bürgerinitiative sollte der Sicherheitsabstand zu den Wohnhäusern jedoch 500 Meter sein.
Am Ende, sagt Hindriksen, müsse man mit den Kavernen leben. „Wir werden sie ja ohnehin nicht los.“Die Verbitterung aber, die bleibt. „Egal, ob etwas zerstört wird, Hauptsache die Kasse stimmt.“