Im Zickzackkurs zum Kulturlotsen
7jörn Harwarth betreibt Künstleragentur in Hamburg – Entscheidung gegen Polizeikarriere
Der 43-Jährige hat als Polizist in Oldenburg gearbeitet. Heute betreut er ein halbes Dutzend Kleinkünstler, darunter den Klappmaulkomiker Werner Momsen.
H567/8G-9:DE;7/8G Du schaffst alles, was du willst. Extreme sind gut, um die Mitte zu finden. Solche Sätze klingen wie Phrasen aus Selbstfindungsseminaren. Wenn Björn Harwarth so spricht, nimmt man ihm das ab.
Der 43-Jährige sitzt in seinem Ladenbüro in HamburgNeustadt, wo er seit sieben Jahren die Künstleragentur „Der Kulturlotse“betreibt und ein halbes Dutzend Kleinkünstler betreut. Darunter sind der Klappmaulkomiker Werner Momsen, der Weserstadionsprecher Arnd Zeigler und der Seemannsgarnspinner Nagelritz.
Immer <ieder Fern<eh
Der Laden läuft. Die Arbeit macht Spaß. Und der selbst ernannte Kulturlotse sieht sehr zufrieden aus, während er Kräutertee trinkt und abwechselnd Babymöhren und Schoko-Croissants knabbert. Hätte jemand Björn Harwarth nach dem Abitur erzählt, er würde dermaleinst sein Geld mit Kabarett und Satire verdienen, mit einer Österreicherin in Hamburg zusammenleben und im Herbst zum zweiten Mal Vater werden, dann hätte der Junge von der Küste wohl abgewunken. Aber auch nichts ausgeschlossen.
„Ich bin offen und neugierig“, charakterisiert sich Harwarth, ein mittelgroßer, schlanker Mann, dessen grüne Augen strahlen, wenn er lacht. „Außerdem liebe ich Parallelwelten.“
Gelebte Gegensätze prägen Harwarths Biografie seit seiner Kindheit, die er in einem Reihenhaus in Cuxhaven-Groden verbringt. Er hängt mit seinen Schulfreunden vom Gymnasium genauso gern ab wie mit den Fußballkumpels vom Grodener SV. Nick Cave und Dorfdisco. Cocktails und Bier. Harwarth mag beides. Bis heute. Der St.-Pauli-Fan kickt in einer Altherrenmannschaft. Er geht immer noch tanzen und hört gern Electro. Und die rote Spielzeug-Ducati auf dem Fensterbrett des Büros zeigt seine Leidenschaft für Motorräder Auf der Couch: Kulturlotse Björn Harwarth zusammen mit Waldorf und Statler aus der Muppet-Show
und Reisen.
Nach der Schule weiß Harwarth bloß, was er nicht will: Studium und Ausbildung. Der Wunsch nach einer Mischung aus Praxis, Theorie und Sport treibt den jungen Mann zur Polizei. Fortan pendelt er zwischen Oldenburg, wo er die Fachhochschule für Verwaltung und Rechtspflege besucht, und Cuxhaven. Dort fährt der Jung-Polizist unter anderem auf dem Deich Streife, im Sommer in Shorts und Spinnt Seemannsgarn: Nagelritz
auf einem Mountainbike. Das ist noch lustig.
Zweifel an der Berufswahl kommen Harwarth in Hamburg, wo er Ende der 90er hinzieht. Inzwischen ist er bei der Bereitschaftspolizei in Lüneburg. Er lebt in einer WG in St. Georg. Mit Freunden tanzt er die Nächte durch. Darüber hinaus packt ihn immer wieder Fernweh, und er reist quer durch Europa.
Schließlich schmeißt er die
sichere Beamtenlaufbahn hin und macht, worauf er schon immer Bock gehabt hat. „Ich studierte Sport.“Zumindest bis zum Vordiplom. Seinen Unterhalt verdient er sich als Bühnenhelfer bei Konzerten. Das Vollgasleben macht zwar Spaß, bietet aber wenig Perspektiven. „Irgendwann stellte ich mir die Frage, was ich eigentlich machen will“, meint Harwarth. Der Kontakt in die Musikwelt gefällt ihm, aber er sieht sich weder als Techniker noch als Künstler. Große Klappe: Werner Momsen
„Ich bin ein gutes B-Hörnchen und muss nicht im Rampenlicht stehen. Mir liegt das Organisieren und das praktische Umsetzen von Ideen und Projekten“, beschreibt sich der Kulturlotse selbst. Harwarth heuert mit Ende 20 als Praktikant bei einer Hamburger Eventagentur an und absolviert dort als einer der ersten in Deutschland eine Ausbildung zum Veranstaltungskaufmann.
„Das war das krasse Gegenteil zum Beamtenjob“, erinnert sich Björn Harwarth an die nächste extreme Lebensphase. Während der OpenAir-Saison zwischen April und September ist der Veranstaltungs-Lehrling quasi nonstop in Norddeutschland unterwegs. Nicht nur die Fußballspiele für seinen Heimatverein in Cuxhaven haben seitdem ein Ende. „Ich hatte nur noch Kollegen, aber keine Freunde mehr.“Nach der Ausbildung heuert er bei einer kleinen Agentur für Kabarett, A cappella sowie Musiktheater an und erledigt die Büroarbeit. Er lernt andere Comedians, Kabarettisten, Satiriker kennen und schätzen. Er mag diese kritisch launigen Mit- und Umdie-Ecke-Denker, die Botschaften und eine Haltung unters Volk bringen. Langsam entsteht die Idee, etwas Eigenes auf die Beine zu stellen. „Mit Künstlern, die ich geil finde und Satire, die mich zum Lachen bringt.“
Kleine 5llta0sfluchten
Den konkreten Schubs in die Selbstständigkeit gibt der freundschaftliche Kontakt zum Hamburger Puppenspieler Detlef Wutschik, der den norddeutschen Charakterkopf Werner Momsen erfunden hat. Als dessen Agent und Manager startet Björn Harwarth als „Der Kulturlotse“. „Es lief gleich gut, und die Agentur trug sich von Anfang an selbst,“freut er sich. Die aktuelle Größe von „Der Kulturlotse“findet der Inhaber perfekt. „So können wir die Nähe, und die persönlichen Kontakte zu unseren Künstlern gewährleisten, und die Work-Life-Balance stimmt auch.“Auf selbstbestimmtes Arbeiten möchte Björn Harwarth nicht mehr verzichten. Und ebenso wenig auf die Erfahrungen, die er in seinem Zickzack-Leben gemacht hat. Dies bewegt sich mittlerweile auch deshalb in berechenbaren Bahnen, weil dem Papa seine Familie zeigt, was wichtig ist und was nicht. Aber ohne kleine Alltagsfluchten geht es halt nicht. Und dazu gehören jeden Sommer Touren nach Cuxhaven. Dann tobt sich Björn Harwarth beim Kitesurfen in der Nordsee aus, oder er fährt zu seinem Lieblingsort in den Wernerwald nach Sahlenburg.