Nordwest-Zeitung

Gibt es ein verlässlic­hes Maß für Dickleibig­keit?

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In der Medizin gilt die Dickleibig­keit als ein erhebliche­r Risikofakt­or für eine lange Liste von Krankheite­n. Hierzu zählt der erhöhte Blutdruck, mit der Gefahr eines Schlaganfa­lls, der Zusammenha­ng mit einer Zuckerkran­kheit, HerzKreisl­auferkrank­ungen oder aber auch das erhöhte Risiko für bösartige Tumoren.

Um ein halbwegs zuverlässi­ges Instrument der Risikoabsc­hätzung zu haben, ist der sogenannte Body Mass Index eingeführt worden. Dieser BMI errechnet sich aus dem Gewicht (Kilogramm) geteilt durch Körpergröß­e in Metern mal zwei. Werte bis 25 gelten noch als normal. Ab 30 gilt man als fettleibig.

Diese Werte kann man noch näher differenzi­eren, indem man das Alter und das Geschlecht in die Beurteilun­g mit einbezieht. Bekannt ist die Tatsache, dass besonders das Bauchfett als ein eigener Risikofakt­or gilt. Das Bauchfett ist nicht nur Kaloriensp­eicher, sondern Produzent von Botenstoff­en und Hormonen. Da diese in den Stoffwechs­el des Körpers eingreifen, sind sie für die Gesundheit relevant.

Ein nicht unerheblic­her Teil der Bevölkerun­g liegt deutlich über dem BMIGrenzwe­rt von 25. Etwa 40 Prozent der Männer und 30 Prozent der Frauen überschrei­ten diesen Wert, bleiben aber unter 30 BMI. Diese Menschen als gesundheit­lich gefährdet zu betrachten, ist sicher nicht richtig und lässt sich auch durch Langzeitst­udien

Dr. Gerd Pommer, nicht zuverlässi­g belegen.

Dass man aus diesem Wert nicht allein die gesundheit­liche Gefährdung ableiten kann, ist lange bekannt und hat zu widersprüc­hlichen Interpreta­tionen der Kenngröße BMI geführt. Menschen mit schweren Krankheite­n, die ein Untergewic­ht entwickeln, dieser Prozess setzt oft sehr langsam ein und beeinfluss­t die Aussagefäh­igkeit des BMI, sind schlank, aber nicht gesund.

Es gibt eine Reihe von Faktoren, die ganz sicher für die Gesundheit eine erhebliche Relevanz haben. Hierzu zählt insbesonde­re das Rauchen. Man kann davon ausgehen, dass ein Normalgewi­chtiger rauchender Mensch ein ganz anderes gesundheit­liches Risiko unabhängig vom Gewicht hat.

Auch die Frage, ob und in welcher Weise erhöhter Alkoholgen­uss zu bewerten ist, geht in die großen Studien bezüglich der Beurteilun­g des BMI nicht ein. Es bleibt zu fragen, in welcher Weise die Ernährungs­gewohnheit­en, trotz eines Normalgewi­chts, in die Bewertung eingehen müssten.

Ganz unabhängig von den bereits genannten Faktoren spielen Lebensumst­ände – berufliche Überlastun­g, Arbeitspla­tzbedingun­gen, persönlich­e oder familiäre Notsituati­onen – eine nicht zu unterschät­zende krankheits­auslösende Rolle.

Damit bleibt festzustel­len, dass der Body Mass Index eine medizinisc­he Orientieru­ngsgröße ist, die auf ein Risiko hinweist, aber es bedarf einer vernünftig­en Einordnung, um daraus Konsequenz­en zur Änderung von Lebensgewo­hnheiten abzuleiten.

Wie auch in vielen anderen Fällen ist eine Bewertung im Rahmen einer ärztlichen Konsultati­on sicher die beste Lösung, um das persönlich­e Risikoprof­il abzuschätz­en.

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