Kervenkitzel auf kleinem Königsweg
:anderung auf „Caminito del Rey“in Andalusien – Schwindelfrei sollte man schon sein
4icherheit geht vor auf dem Klettersteig nordwestlich von Málaga. Nach umfangreicher Renovierung lockt er jedes Jahr Tausende an.
ARDALES Es ist kurz nach acht Uhr morgens, als wir in Ardales, etwa 60 Kilometer vom mondänen Badeort Marbella entfernt, auf den Parkplatz am „Caminito del Rey“fahren. Nordwestlich von Málaga führt der ehemals gefährlichste Klettersteig der Welt durch die Gaitanes-Schlucht. Rund fünf Kilometer geht es durch den Wald zum Eingang. Dieser Weg ist ein reiner Fußweg, das Auto bleibt auf einem Parkplatz in der Nähe des Zugangs.
Wir wollen wissen, wo genau es losgeht. Juan ist Parkwächter und zeigt auf eine kleine, unscheinbare Öffnung im Fels, etwa 100 Meter die Straße entlang. Auf den ersten Blick würde man sie glatt übersehen. „Wenn ihr Zeit sparen wollt, dann könnt ihr auch dadurch gehen und abkürzen. Aber ihr braucht eine Taschenlampe, es ist dort nämlich stockdunkel“, meint Juan. „Und erschreckt Euch nicht, im Tunnel sind manchmal auch Fledermäuse“.
Flipflops verboten
Vor der Öffnung weist ein kleines Schild den Weg in die Dunkelheit. Vorsichtig schauen wir hinein und stellen fest: Stehen kann man im Tunnel nicht, und die Hand vor Augen kann man auch nicht sehen. Der Schein unserer Taschenlampe lässt alles in einem gespenstischen Licht erscheinen. In gebückter Haltung hasten wir schweigend einem winzigen hellen Punkt entgegen. Schwer zu sagen, wie viele Meter es waren, vielleicht 200, vielleicht 500. Erleichtert erreichen wir das Ende und stehen auf dem Hauptweg zum Einstieg in den Caminito. Durch den Tunnel sind es statt der knapp fünf tatsächlich nur noch eineinhalb Kilometer.
Unterhalb der Böschung fließt ruhig und grün der Fluss Guadalhorce. Idyllisch ist es und still. Wir begegnen zwei Wanderern. Am frühen Morgen ist noch wenig Betrieb. Unsere Eintrittskarten hatten wir vorher online gekauft und dabei die erste Gruppe des Tages gewählt. Nur 30 Wanderer dürfen pro halbe Stunde den Caminito betreten. Nicht mehr als 400 sind es pro Tag, kein Wunder, dass es hin und wieder zu langen Wartelisten kommt.
Jeder Besucher wird registriert, jeder bekommt einen weißen Sicherheitshelm. Körperliche Fitness wird erwartet, denn der Wanderweg ist anspruchsvoll. Flipflops, hochhackige Schuhe, Rucksäcke, Selfiesticks bedeuten das Aus für eine Wanderung über den Caminito. Genauso Hunde und Kinder im Kinderwagen. „Zu gefährlich“, sagt unser Betreuer bei der Sicherheitsbelehrung.
Auf der offiziellen Homepage des Caminito heißt es dann auch: „Die Klettersteige, die Hängebrücke auf 105 Meter und die steilen Felswände werden bei vielen Besuchern einen unvermeidbaren Anflug von Höhenangst hervorrufen. Die Höhe, und vor allem die Enge des Weges an einigen Stellen, macht den Caminito Nichts für Menschen mit Höhenangst: Der „Caminito del Rey“galt lange als einer der gefährlichsten Klettersteige der Welt. Durch die bis zu 600 Meter tiefe Schlucht El Chorro fließt der Guadalhorce. Angst überwunden: Nima Ashoff gibt ihre Erfahrungen auf dem Caminito del Rey heute an Frauen weiter
deshalb zu einem gefährlichen Wanderweg.“Falls es dennoch zu einem Notfall kommt, kann auf dem Gelände ein Helikopter landen.
Sein Ruf ist tatsächlich nicht der Beste, schaut man auf die Unfallzahlen. Der „Caminito del Rey“war 14 Jahre lang offiziell gesperrt, nachdem dort vier Kletterer den Tod fanden. Fortan trug der Pfad die Bezeichnung „gefährlichster Weg der Welt“. Trotz der Sperrung oder vielleicht gerade deswegen waren Abenteurer und Extremsportler nicht aufzuhalten. Selbst horrende Geldstrafen von bis zu 5000 Euro schreckten sie nicht ab. Der Adrenalinkick war für viele ein starker Magnet.
Nima Ashoff kann mitreden, wenn es um die Faszination dieses Klettersteigs geht. Vor vier Jahren hatte die 43Jährige Deutschland gerade den Rücken gekehrt und ihren ersten Job in einer spanischen Kletterunterkunft angenommen. Sie erinnert sich, dass jeder damals den Kick auf dem Caminito gesucht hat. „Die waren alle völlig verrückt. Ich habe immer gesagt, ihr könnt mir eine Million bieten, den Scheiß würde ich im Leben nicht machen“, lacht Ashoff und fügt hinzu „und dann kam ein Freund, der hat auf mich wie auf ein altersschwaches Pferd eingeredet und weil ich sowieso gerade in einer Phase war, in der ich mich neu finden und meine Grenzen überschreiten wollte, habe ich ‚Ja‘ gesagt.“
Ostfriese ohne Angst
Am nächsten Tag hing sie mit panischer Angst vorm Fallen und schwitzenden Händen an einem Stahlträger im Nichts der senkrechten Wand. „Ich bin heute unheimlich dankbar, dass ich diesen alten Weg in gewisser Weise noch gehen konnte. Ich habe meine Angst und meine Komfortzone überwunden und eine große Wandlung vollzogen.“Ihre Erfahrungen gibt sie heute als Online-Life-Coach an Frauen weiter.
Die wörtliche Übersetzung ‚Kleiner Königsweg‘ hört sich
harmlos an. Den Namen erhielt der „Caminito del Rey“1921, als König Alfonso XIII. den Staudamm Conde del Guadalhorce eröffnete. Anlässlich dieses Ereignisses schritt er über diesen sehr schmalen alten Steg aus Betonplatten, der mit Eisenstangen an der Felswand befestigt war. Dieser windet sich entlang der senkrechten Felswände oberhalb einer tiefen Schlucht. Die Menschen benutzten den Pfad damals als Abkürzung von einem Dorf zum anderen. Außerdem diente er den Arbeitern beim Staudammbau als Transportweg und Verbindung ins Tal.
Direkt über der lebensgefährlichen Strecke von damals wurde inzwischen für rund 2,4 Millionen Euro ein neuer Caminito angelegt. Eine Art Laufsteg, durch den die löchrigen Überreste des alten Weges gut zu erkennen sind. Man kann sich gut vorstellen, wie gefährlich und mühsam dieser Weg einmal war.
Johann Detmers aus Aurich ist diesen neuen Laufsteg gegangen und war in diesem Jahr das erste Mal dort. Der 62-Jährige fährt Motorrad und taucht, hat ein Faible für Abenteuer und Nervenkitzel. „Der spannendste Augenblick war eine steile Treppe, über die man auf einen Balkon hinuntersteigen musste. Da hingen gegenüber zwei Bergsteiger in der Wand. Das muss ich nicht haben, aber das war für mich ein echtes Highlight. Das war genial“, erinnert sich der Ostfriese.
Gefährlich kam ihm der