Nordwest-Zeitung

Eas auf den Raketenang­riff folgt

Bleibt die direkte Konfrontat­ion zwischen Russland und dem Westen aus?

- VON CLAUDIA THALER, MAREN HENNEMUTH, BENNO SCHWINGHAM­MER UND SEBASTIAN KUNIGKEIT

Nach Trumps Tweet zitterte die Welt. Doch die direkte Konfrontat­ion zwischen Washington und Moskau scheint in weite Ferne gerückt.

MOSKAU/WASHINGTON Den syrischen Machthaber Baschar al-Assad bringen Raketenang­riffe zumindest offiziell nicht aus der Ruhe. Auch weil er mächtige Freunde hinter sich weiß. Die Frage ist nun: Was bedeuten die Militärsch­läge für die Beziehunge­n zwischen den USA und Russland? Der Nebel des Raketenang­riffes lichtet sich. RUSSLANDS STRATEGIE

Zuvor waren sich Politiker und Experten sicher, dass es zu einer direkten Konfrontat­ion zwischen den USA und Russland kommen werde. Nun ist der Tenor in Moskau ein anderer, auch weil Washington gemäßigter als angenommen reagierte. Aus Moskauer Sicht ist der Militärsch­lag ziemlich verpufft. Nicht einmal russische Stellungen seien angegriffe­n worden, die syrischen Streitkräf­te hätten die Raketen mit jahrzehnte­alter Sowjettech­nik schnell vom Himmel geholt.

Auch der kremlnahe Politologe Fjodor Lukjanow hält eine direkte militärisc­he Konfrontat­ion jetzt für höchst unwahrsche­inlich. „Die Ziele wurden sorgfältig ausgewählt, sodass die Situation nicht außer Kontrolle geraten wird.“

Irgendeine Reaktion könnte aber noch kommen. Präsident Wladimir Putin ist sich aber auch bewusst, welches Eskalation­spotenzial ein Gegenschla­g hat K und darauf will man zurzeit eher verzichten. Putins Macht speist sich innenpolit­isch auch aus dem aus Moskauer Sicht aggressive­n Kurs des Westens.

EINE NEUE TRUMP-DOKTRIN?

Die USA vermieden bei dem Angriff sorgfältig das, was als Eskalation zwischen den Atommächte­n an die Wand gemalt worden war. Sie machten einen Bogen um russische oder iranische Stellungen, sahen von einer Provokatio­n an Moskau oder Teheran ab. Eine klare Nahost-Strategie Washington­s ist nicht erkennbar. Trump denkt in Bezug auf Syrien in zwei Kategorien: den Kampf gegen den IS, den er für so gut wie beendet hält, und den Bürgerkrie­g, aus dem er sich raushalten will. Ob seiner Regierung daran gelegen ist, eine diplomatis­che Initiative voranzutre­iben, ist unklar. Der designiert­e neue Außenminis­ter Mike Pompeo hat sein Amt noch nicht angetreten­L Trumps neuer Nationaler Sicherheit­sberater Mohn Bolton ist kein Diplomat, er gilt als Haudrauf.

Für Trump geht das Thema weit über die russisch-amerikanis­chen Beziehunge­n und einen möglichen Stellvertr­eterkampf hinaus. In seiner Ansprache verwies er auf die anderen Mächte in der Region: Ein verstärkte­s Engagement Saudi-Arabiens, der Vereinigte­n Arabischen Emirate, Katars, Ngyptens und anderer könne gewährleis­ten, „dass der Iran nicht von der Vernichtun­g des IS profitiert“. Manche, wie das Magazin „The Atlantic“, nennen diese Mixtur aus Heraushalt­en und Interessen­verteilung die „Trump-Doktrin“für den Nahen Osten. MACRONS STRATEGIE

Dem Westen ging es bei dem Angriff auch um Glaubwürdi­gkeit. Es könnte auch ein Versuch sein, Handlungsf­ähigkeit unter Beweis zu stellen: ein Wink an Russland, das felsenfest hinter dem syrischen Präsidente­n steht und mit den Astana-Gesprächen versucht, eine Konfliktlö­sung ohne Einbindung des Westens zu zimmern. Frankreich fordert jedenfalls, dass Moskau sein Kalkül nun ändert.

Paris verspricht neue diplomatis­che Initiative­n und will diese auf Ebene der EUAußenmin­ister und im UN-Sicherheit­srat vorantreib­en. Dort soll ein neuer, von Frankreich vorgelegte­r Entwurf für eine UN-Resolution Diplomaten zufolge die drängendst­en Fragen des Konflikts zugleich angehen: das syrische Chemiewaff­enprogramm soll beendet und Verantwort­lichkeiten von Giftgasang­riffen sollen geklärt werden. Zudem sollen eine landesweit­e Waffenruhe und ein gesicherte­r Zugang für humanitäre Helfer den Weg zu einer langfristi­gen politische­n Lösung ebnen.

Die Erfolgscha­ncen des Entwurfs waren am Sonntag aber unklar. Angesichts der ersten russischen Reaktionen scheint es mehr als fragwürdig, wie das Patt zwischen Russland und den drei westlichen UN-Veto-Mächten im Sicherheit­srat gebrochen werden sollte. Zumal die Frage ist, wie weit der demonstrat­ive Schultersc­hluss zwischen Washington, Paris und London in dieser Sache reicht. ASSADS ZUKUNFT

Auf den Krieg in Syrien dürfte der Angriff vom Samstag nur begrenzte Wirkung haben. Die „klare Botschaft“, von der US-Verteidigu­ngsministe­r Mames Mattis sprach, ist ausschließ­lich eine Antwort auf den mutmaßlich­en Giftgasein­satz in Ost-Ghuta. Präsident Assad gibt sich entspannt: Russischen Abgeordnet­en sagte er nach der Attacke, Syrien werde den Handlungen des Westens keine Aufmerksam­keit schenken. Assad, der wieder die Oberhand in Syrien hat, nimmt nun die restlichen Rebellenge­biete ins Visier.

Vor gut einem Monat ließ er sich dabei filmen, wie er höchstselb­st nach Ost-Ghuta fuhr, um seinen Sieg zu demonstrie­ren. „Die Straße ist frei“, sagte er dabei. Diese Selbstsich­erheit wird ihm auch der Angriff vom Wochenende nicht genommen haben.

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AP-BILD: AMMAR RaketeF erhelleF deF Himmel über SyrieFs Hauptstadt Damaskus. Dort wurde eiF ForschuFgs­zeFtrum iFs Visier geFommeF.
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