„EWE hat ein paa echte Pfunde“
Der neue EWE-Chef Dohler über seine Pläne in Oldenburg, Unternehmenskultur und Spenden
EWE muss schneller und kundenorientierter werden, sagt Stefan Dohler. Er will auf Vielfalt setzen.
FRA E: Wenn man über EWE spricht, kommt man um das Thema Spenden seit 2017 nicht herum. Für was haben Sie zuletzt gespendet?
HLER: Ich habe für die Arche in Hamburg gespendet, ein Hilfsprojekt für Kinder. Und die Spende war privat. FRA E: Ihr Vorgänger Matthias Brückmann musste im Zuge der Klitschko-Spendenaffäre gehen. Nun kämpft er vor Gericht darum, dass man ihm seinen Vertrag auszahlt. Würden Sie es bevorzugen, dass man möglichst schnell einen Vergleich herbeiführt oder dass man den Rechtsstreit bis zum Ende ausficht?
HLER: Das ist ein Thema, das der Aufsichtsrat mit Herrn Brückmann klären muss. Ich persönlich finde es immer unschön, wenn Streitigkeiten vor Gericht gehen, aber manchmal gibt es bei sehr unterschiedlichen Auffassungen eben keinen Mittelweg. FRA E: Wird der Rechtsstreit eine Belastung für EWE?
HLER: Es wäre natürlich besser, wenn das nicht passiert und es zu einer Klärung käme. Aber ich fände es auch nicht verantwortlich, Millionenbeträge über den Tisch zu schieben, nur um irgendetwas zu einem schnellen Ende zu bringen. FRA E: Als EWE damals, im Jahr 2017, auf Sie zugekommen ist, steckte der Konzern in der wohl größten Krise. Hat Sie das nicht abgeschreckt?
HLER: Nein. Ich kannte EWE ja schon länger. Und das Fundament, das ich von EWE kannte, ist durch all die negativen Schlagzeilen nicht infrage gestellt worden. EWE hat ein paar echte Pfunde, die ich sehr attraktiv fand. Zum Beispiel die Innovationskraft, also Dinge neu zu denken. Ein Portfolio, das nicht geprägt war von Altlasten, wie Kernkraft oder Braunkohle, sondern im Gegenteil zukunftsorientiert ausgerichtet ist, also etwa auch den Bereich Telekommunikation beinhaltet. Und auch eine starke IT-Kompetenz. Die großen Themen, die für die Energiewelt im Zuge der Digitalisierung wichtig sind, hatte EWE schon lange aufgegriffen. Das ist eine extrem gute Ausgangsbasis. FRA E: Würden Sie sagen, dass EWE gegenüber Vattenfall, wo sie zuvor tätig waren, besser aufgestellt ist, um die Energiewende zu meistern?
HLER: Also diesen riesigen Umstellhebel von konventioneller Energieerzeugung auf erneuerbare, den hat EWE im Vergleich zu vielen anderen Energieunternehmen nicht bewegen müssen. EWE hat sehr gute Startvoraussetzungen, aber durchaus auch ganz Der neue EWE-Vorstands2he4 Ste4an Dohler in seine1 B:ro in Olden5ur/
eigene Herausforderungen. Das ist sicher kein Selbstgänger. FRA E: Welche Herausforderungen sehen Sie für EWE?
HLER: Wenn wir erfolgreich sein wollen, müssen wir künftig schnell sein, rasch auf Marktveränderungen reagieren können. Wir müssen extrem kundenorientiert arbeiten, also im Idealfall bin außen nach innen denken. Und wir müssen sehr effizient sein. In diesen drei Bereichen müssen wir permanent besser werden. Und natürlich ist EWE auch von Strukturthemen, wie dem Verfall der Preise im Gasspeichergeschäft, betroffen. FRA E: Womit will EWE künftig den Hauptteil des Gewinns erwirtschaften?
HLER: Heute kommt ein großer Teil aus der Infrastruktur, also etwa den Netzen. Und ich glaube, dass wird auch auf lange Sicht ein sehr wichtiger Bereich für uns bleiben. Ansonsten wird künftig Wachstum aus meiner Sicht vor allem kundennah passieren, also mehr im Bereich Energiedienstleistungen. Weniger Hardware, mehr Services. Wir schauen uns im Moment mit der gesamten Führung unsere bestehende Strategie 2026 an und klopfen diese ab. Bis zum Sommer wollen wir klare inhaltliche Schwerpunkte benennen. Ich bevorzuge es, wenige Sachen richtig gut zu machen, statt von allem ein bisschen. Das
kann einen schnell überall mittelmäßig machen. FRA E: Welche „wenigen Sachen“sind das?
HLER: Das werden wir im Sommer sehen. Ein Beispiel: Wir haben hier ja eine besondere regionale Lage im Nordwesten, als Wind-Land, als Anlandepunkt eines großen Teils der Offshore-Windmengen. Damit haben wir auch einen sehr hohen Grad an Erneuerbaren Energien heute schon im Netz. Und daraus ergibt sich eine Position der Stärke, die wir in Geschäft umsetzen müssen. FRA E: Das heißt, Windenergie wird künftig eine zentrale Rolle für EWE spielen?
HLER: Das werden wir uns anschauen. Von außen betrachtet war ich aber schon überrascht, wie wenig eigene erneuerbare Kapazitäten EWE bei dieser Größe betreibt. Ich hätte gedacht, dass EWE da mehr haben könnte. Sprich, wir werden uns anschauen, ob wir da Potenziale sehen. FRA E: Das heißt auch: weitere Offshore-Investitionen?
HLER: Im Moment ist es Teil der Strategie. Aber eine Kompetenz bei der Entwicklung von Windparks muss ja nicht heißen, dass man die auch selbst finanziert. Man kann auch Entwickler sein und sich Partner suchen, die das Geld reinbringen. Früher war die Strategie eines Energieunternehmens: Alles meins, ich muss alles selbst haben und machen. Das ist
die Welt von gestern, ich sehe zukünftig mehr Teilhabe. FRA E: Wie sieht es im Gegenzug mit möglichen Des-Investments aus? Das Türkei-Geschäft der EWE ist zuletzt auch von einigen Anteilseignern kritisch gesehen worden.
HLER: Wir überprüfen gerade unsere Strategie und damit auch das gesamte Beteiligungsportfolio. Und in diesem Kontext schauen wir natürlich auch auf die Optionen unserer Auslandsbeteiligungen, inklusive des Türkeigeschäfts. Dieses ist wirtschaftlich erfolgreich, agiert aber sicherlich in einem schwierigen Umfeld. Und wenn wir zu dem Schluss kommen sollten, es gibt bessere Eigentümer als EWE zu einem fairen Preis, dann ist das sicherlich ein Punkt, den wir uns ansehen. Aber ich betone: Im Moment gibt es keine Verkaufsentscheidung. FRA E: Wie sieht es mit dem Telekommunikationsgeschäft und der IT-Tochter BTC aus?
HLER: Als integrierter Energieversorger brauchen wir definitiv eine Kompetenz beim Thema Daten. Und da ist die Telekommunikation, gerade Breitband, gerade Glasfaser, ein ganz wichtiger Baustein. Von daher sehe ich nicht, dass wir sagen, das ist nicht Teil unserer Zukunft. IT ganz genau so. Das ist eine Kernkompetenz, die ich im Zuge einer zunehmend digitaleren Welt brauche. Die Frage ist, auf welche Art will ich mir diese Kompetenz sichern? Über eine BTC, die mehr ein Dienstleister für Externe ist, oder über eigene Kompetenz im Stammhaus. FRA E: EWE sucht einen strategischen Investor. Kürzlich berichtete die Agentur Reuters, dass Sie diese Suche vorantreiben wollen. Wer ist Favorit?
HLER: Solche Spekulationen sind üblich, waren aber kompletter Blödsinn. Fakt ist, wir machen eine Strategieüberprüfung bis zum Sommer, mit den Anteilseignern, mit dem Aufsichtsrat. Dabei legen wir fest, wie wir EWE inhaltlich aufstellen wollen. Im nächsten Schritt werden wir dann schauen, welcher Partner zu EWE passt. Und dieser Prozess wird sicherlich bis 201I andauern. Welche Art von Partner das sein wird, ist am Ende eine Entscheidung des Eigentümers, auch wenn wir da als Unternehmen stark eingebunden sind. FRA E: Sie waren lange für Vattenfall tätig. Kann man von den Schweden etwas zur Unternehmenskultur lernen?
HLER: Ja, man kann sicher von allen was lernen, auch von schwedischen Unternehmen. Aber auch von deutschen Firmen. Von den schwedischen Unternehmen habe ich persönlich eine Kultur des Zuhörens, der Offenheit und des Fragens mitgenommen. Das ist aus meiner Sicht eine gute und respektvolle Art, Entscheidungen zu treffen. Und das Thema Vielfalt, das dort großgeschrieben wird, finde ich sehr wichtig FRA E: Ein Beispiel?
HLER: In Schweden wird etwa viel selbstverständlicher mit dem Thema Vereinbarkeit von Beruf und Familie umgegangen. Das macht sich auch dadurch bemerkbar, dass dort viel mehr Frauen in Führungspositionen sind. In Schweden ist es etwas völlig Normales, dass jemand nachmittags das Büro verlässt, wenn er oder sie die Kinder abholen muss. Das ist hierzulande noch nicht so etabliert. Daran und an anderen Aspekten des Themas Vielfalt würde ich auch bei EWE gern arbeiten. FRA E: Kommt die schwedische Duz-Kultur nun bei EWE?
HLER: (lacht) Nein, es gibt keine Duz-Anweisung. Ich bin ohnehin der Meinung, dass es nicht entscheidend ist, ob man sich duzt oder siezt, sondern wie man miteinander umgeht und wie man aufeinander zugeht. Entscheidend sind Respekt und Offenheit.