Nordwest-Zeitung

Erst Vision, dann Nullnummer?

So reagiert Europa auf die Pläne von Frankreich­s Präsident Macron

- VON VIOLETTA KUHN, THOMAS LANIG UND SEBASTIAN KUNIGKEIT

Jetzt geht es ans Eingemacht­e: Frankreich­s Präsident muss sich auf schwierige Verhandlun­gen einstellen.

STRAßBURG Die Hoffnungen bei der Wahl von Emmanuel Macron waren riesig: endlich neuer Schwung für das krisengepl­agte Europa. Die ehrgeizige­n Reformplän­e des französisc­hen Präsidente­n für die EU wurden in Deutschlan­d mit demonstrat­ivem, wenn auch unverbindl­ichem Wohlwollen aufgenomme­n. Doch jetzt, wo es zur Sache gehen soll, kommt aus Berlin scharfer Gegenwind. Im EU-Parlament in Straßburg appelliert­e Macron am Dienstag, Gräben zwischen Nord- und Südeuropa zu überwinden. „Eine Art europäisch­er Bürgerkrie­g“sei zurück, warnt er. Man könne nicht so weitermach­en.

Warum kommen Macrons Vorschläge nicht voran

Zum einen hatte er einfach Pech: Weil die Regierungs­bildung in Deutschlan­d so lange dauerte, lag auch das Thema EU-Reform auf Eis. Zum anderen geht es nun in die konkreten Diskussion­en – und damit treten die lange verschleie­rten Konfliktli­nien deutlich zutage, gerade beim Umbau der Eurozone. Und die politische Lage in Europa ist durch den Wahlerfolg der Populisten in Italien auch nicht einfacher geworden.

Kann Macron noch auf Hilfe von Merkel zählen

Wenn Macron am Donnerstag nach Berlin kommt, werden die Meinungsun­terschiede nicht länger unter den Teppich gekehrt werden können. Monatelang hat sich Merkel auf vage Sympathieb­ekundungen beschränkt. Jetzt wird klar, dass sie Macrons Ideen

zum Teil ausbremst. Das gilt vor allem für einen eigenen Haushalt der Eurozone. Von einem Euro-Finanzmini­ster ist sowieso nicht mehr die Rede. Auch die Forderung der EU-Kommission nach einem Europäisch­en Währungsfo­nds ist mit Berlin derzeit nicht zu machen.

Die SPD ist erzürnt: Der Europäisch­e Währungsfo­nds sei ein Kernpunkt des Koalitions­vertrags mit der Union. Vor allem die Haushaltsp­olitiker der Union setzen Merkel aber unter Druck. Sollte der Bundestag über einen Währungsfo­nds abstimmen, wäre eine Mehrheit für die Kanzlerin keineswegs sicher.

Was ist der Kern des Streits

In Berlin gibt es die Befürchtun­g, dass letztlich mehr deutsches Geld in andere EULänder fließen könnte. Immer wieder wird die Gefahr einer Vergemeins­chaftung der Schulden beschworen. Befürworte­r argumentie­ren dagegen, dass auch Deutschlan­d profitiert, wenn die Währungsun­ion stärker wird – und dadurch Krisen ausbleiben.

Wie kam Macron im EU-Parlament an

Der Präsident erntete stehende Ovationen. Die Sozialdemo­kraten zeigten sich dennoch enttäuscht von seiner Rede. Macron sei vage geblieben, ein Aufbruchss­ignal sehe anders aus, erklärte der Chef der SPD-Abgeordnet­en, Jens Geier. Der Grünen-Abgeordnet­e Sven Giegold bedauerte, dass Macron nicht so leidenscha­ftlich aufgetrete­n sei wie noch bei seiner Sorbonne-Rede. „Macron darf den Widerständ­en gegen seine Reformen innerhalb der EU nicht so einfach nachgeben“, erklärte er. Der Chef der Konservati­ven, Manfred Weber, sagte nach der Rede, jetzt sei in der Debatte um Reformen die Zeit für Kompromiss­e gekommen.

KOMMENTAR, SEITE 4

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DPA-BILD: CEGARRA Frankr ichs Präsid nt Emmanu l Macron hält s in R d im Europäisch n Parlam nt.

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